Wintersleep – In the Land Of

von am 5. April 2019 in Album

Wintersleep – In the Land Of

Die Feststellung, dass In the Land Of eines ihrer deutlich schwächeren Studioalben ist, klingt drastischer, als sie eigentlich ist: Wintersleep bleiben auch mit vermeintlich sorgloserem Singalong-Ton eine der zuverlässigsten, konstantesten und besten Bands des Indierock.

Allerdings merkt man, inwiefern die vergangenen Jahre Spuren bei den Kanadiern hinterlassen haben: Einerseits, dass Frontmann und Zauberstimme Paul Murphy sein einstiges Lagerfeuerprojekt Postdata mit Let’s Be Wilderness (leider) unter einiger medialer Beachtung zu einem kleinen Äquivalent seiner Stammband umgewandelt hat. Und andererseits, dass der gerade im Rückblick doch sehr, sehr starke Vorgänger The Great Detachment mit Amerika die erfolgreichste Single für Wintersleep seit über einer Dekade bedeutete.
Das setzt Glückgefühle frei – und hier versucht In the Land Of nun hinter dem zutiefst typischen, unverkennbar charakteristischen Bandsound anzuknüpfen, hebt den Grad der Eingängigkeit (mal subversiver, mal expliziter) mit einem mehr an Leichtigkeit und Tralala noch weiter an.

Songs wie Forest Fire (über das getragene Klavier setzt sich der weihevoll schunkelnde Ohrwurm sofort heimelig fest), das textlich eigentlich alles andere als fröhliche Beneficiary (das auf ein minimalistisches Synthrock-Gerüst einen feiernden Song mit funky The Edge-Licks und umarmenden Mitsing-Chören baut) oder die frommer zum Folk schunkelnder Liebenswürdigkeit Into the Shape of Your Heart, die mit Akustikgitarre und getragenem Tempo die Sonne harmlos und freundlich aufgehen lässt, schließt man über das entwaffnende Wintersleep-Charisma sofort ins Herz. Jedoch fällt schon hier auf, dass selbst diese sanften Wertarbeiten ihre griffigen Refrains gerade hinten raus schon zu oft wiederholen, schön und anmutig über Gebühr als gemütliche Nabelschauen mäandern.
Was sich in diesem Ausmaß sicher ebenso verschmerzen lässt, wie wenn das zügige The Lighthouse seine „Uhuhuuus“ in einen kompakt- knackigen Hit packt, aber dabei gar erst nicht zu kaschieren versucht, dass die Band ihr Songwriting mittlerweile doch recht berechenbar simpel strukturiert – wie auch Terror vorführt, das mit der großen Geste flirtet, seinen Spannungsbogen aber niemals erschöpfend auflöst, sondern relativ eindimensional ohne Geistesblitz funkelt.

Symptomatisch für In the Land Of im Ganzen ist insofern der Closer Free Pour, der über seine minimalistischen E-Drumpattern und die schwelgende Nostalgie eine schöne Stimmung entwickelt, auch eine nicht uninteressante Unverbindlichkeit und Flüchtigkeit als neue Facette im Wintersleep-Kosmos artikuliert, aber doch vor allem enttäuschend in der Luft hängend entlässt. Das ist (im Speziellen wie Allgemeinen) diesmal einfach zu zwanglos inszeniert, plätschert inkonsequent und ohne fesselndes Ziel zu sehr in seiner Komfortzone: Man bleibt als Hörer außen vor, wird nicht gepackt, eine Easy Listening-Variation von alten Stärken skizziert nur das Potential, ohne zu fressen.
Wirklich schwierig wird es aber erst, wenn In The Land Of in dieser bekömmlichen Art über das Ziel hinausschießt und sich zu bequem zwischen aufdringlicher Penetranz und ermüdender Langeweile einnistet – was so leider im frustrierend schwachen Mittelteil der Platte passiert. Never Let You Go ist dort flapsig hopsender Indie-Folk wie aus dem Lehrbuch für ein potentielles Yuno-Revival; Gitarre, Banjo, Drums und Handclaps alleine genügen für die mit Abstand nervigste, bis zur absoluten Übersättigung repetierten Sunshine-Nummer der Wintersleep-Geschichte. Danach klingt das dröge Soft Focus,  ein bratender Rocker ohne Kraft, gleich noch schaumgebremster und lethargischer – schockierend teilnahmsloser und egaler hat man Paul Murphy jedenfalls bisher noch nie gehört.

Auch wenn die um diese ärgerliche Ausfall-Phase durchwegs überzeugenden, schlichtweg um Nuancen zu gefällig angelegten Songs durch ihre relativ deutliche Agenda grundsätzlich weniger auf eine nachhaltige Halbwertszeit setzen, als die Alben zuvor es taten, machen auch vom Optimismus geblendete Wintersleep natürlich immer noch mehr richtig, als ein Gros der Konkurrenz – und haben auf dem versöhnlichen In the Land Of deswegen freilich trotzdem das eine oder andere Highlight parat.
Surrender ist so ein wunderbar aufblühender Oldschool-Opener, der die Dynamik seines treibenden Schlagzeugspiels mit verträumt perlenden Gitarren übersetzt. Und das verschwurbelte Waves pflegt ein auf hypnotischen Bassmuster schwebendes Dösen zwischen Dreampop-Schemen und Radioheads The Amazing Sounds of Orgy, absolut verführerisch und endlich eine tatsächlich interessante Perspektive! Das sind dann auch Szenen, die in dieser emotionalen Reinheit niemand anderer erzeugen kann.
All die leise Freude sowie die bisweilen irritierend unausgegorene Schere aus lyrischer Dunkelheit/Ausgelassenheit und umsorgender Hoffnung in der Musik, die In the Land Of letztendlich prägt, sie sei den gelöster agierenden Melancholikern deswegen auch durchaus gegönnt. Betont spannender wird der Trademark Sound von Wintersleep dadurch allerdings leider nicht. Nichtsdestotrotz: Auch ein enttäuschendes Album der Kanadier – wie diese enorm catchy daherkommende, latent gewichtslose Sammelsurium für das Momentum Zufriedenheit – ist noch weit von einem tatsächlich schwachen entfernt.

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