Caspian – On Circles

Caspian öffnen viereinhalb Jahre nach dem trauernden Dust and Disquiet die Türe bereits symbolisch am Cover, lassen für das betont hellere On Circles aber neben Gästen auch tatsächlich eine bisher ungekannte hoffnungsschwangeren Optimismus in ihrem Postrock zu.
Da heißen Songs nun symptomatisch sogar Flowers of Lights und klingen (ohne den Sound der Band zu verfälschen, aber eben die Stimmung markant zu heben) traumwandelnd, weich und ätherisch, stampfen ein bisschen digital geloopt-angeschoben so beschwingt und enthusiastisch – enden im aber auch bisweilen überraschend ziellos und inkonsequent. Was die Problematik von On Cirles schon früh anzeigt: Caspian drehen sich auf ihrem fünten Studioalbum gar nicht unbedingt nur im Kreis, haben aber acht – mal bessere, mal nichtsdestotrotz routinierte – Einzelnummern zu keinem restlos runden Ganzen einen können. Das Sextett aus Beveely befindet sich im 17. Lebensjahr gleichermaßen auf der Suche, muß und will sich inmitten einer neuen Freiheit aber auch gar nicht notwendigerweise positionieren.
Philip Jamieson macht in dieser Hinsicht gar keine falschen Illusionen: „I’ve grown weary of reading about bands discuss the renewing, rehabilitative properties their most recent album has had on them. They incur corrosion, come close to running out of gas, descend into the dark abyss, and finally emerge on the other side with a record that has given them a crystal clear perspective and a confident path forward. On Circles is not that record. They’re just songs that we got together and wrote over the course of a year while trying to have a good time and reclaim whatever it is that’s simple about all of this. Don’t get me wrong, we kicked our own asses constantly and stayed up staring at the ceiling thinking about song structures all night for a year here … but being free from the yolk of having our music relentlessly try to answer the unanswerable was emancipating and humbling.”
Am deutlichsten wird dieses Forschen nach neuen Horizonten (natürlich), wenn die von Neo-Schlagzeuger Justin Forrest akzentuiert und komplex angetriebene (jedoch wieder niemals wirklich impulsiv loslassenden) Band ihr personelles Gefüge erweitert.
Division Blues beginnt wie eine ferne Erinnerung an Rock Action, zieht einen Schweif aus friedvoll jubilierenden Reverb mit sich, lebt aber auch durch die dezenten zusätzlichen Elemente von Cellist Jo Quail und Violinistin Shelley Weiss. Caspian finden so eine versöhnlich bimmelnde Einkehr, ein sakral erhebendes Gefühl ohne Zwang, das vor allem durch die die augenscheinlich mühelose Selbstverständlichkeit der Performance besticht. In Ishamel greift der Einfluss von Quail sogar noch gravierender, wenn eine unwirklich-orientalisch in Schieflage über die Akustikgitarre träumende Vision der Grails-Appalachen sich irgendwann in märchenhafter Eleganz zum Shoegaze bewegt und hinten raus mit sich selbst im Reinen fragil zupft.
Das im starken Wildblood versteckte Saxofon von John Aruda bekommt dagegen deutlich zu wenig Raum um sich zu entfalten, wirkt ganz weit hinten im Mix wie eine niemals greifbare Ahnung agierend beinahe verschwendet. Strick lässt sich daraus keiner für den Opener drehen: Wildblood baut sich langsam auf, zieht seine mathartig organisierten Melodien bedächtig schmelzend in das immer epischer und heroischer wachsende Gefüge, macht es schön zu erleben, wie sich die Nummer aufbaut, auch wenn sie den Spannungsbogen dann zu schnell zusammenfallen lässt, nur um neu zu wachsen. Dass Caspian sich dabei genau genommen zuviel Zeit für formelhafte Ausschweifungen nehmen, wird insofern aufgewogen, weil die Band Klasse hat und diese auch längst anstandslos umsetzen kann. Man kann das vage Saxofon in diesem Kontext deswegen auch eher als Ausdruck davon sehen, wie viele Details und Nuancen es auch auf On Circles in den Texturen zu entdecken gibt.
Selbst dann, wenn Caspian sich vornehmlich aus dem Genre-Lehrbuch bedienen. Onsra lässt seine analogen Synthies etwa eine ruhige Ambientnummer gestalten, die sich absolut einnehmend auf die Atmosphäre konzentriert und deswegen ihre schönste Zeit bereits erlebt hat, wenn sich die Nummer zur Hälfte hin schimmernd in Bewegung setzt, und die Band, gerade wenn der Spannungsbogen sich wegen seiner archetypischen Form verneigen will, nach alter Vorliebe am Klimax den Stecker zieht. Collapse bemüht sich dagegen etwas zu demonstrativ um eine düstere Dramatik: Wo die Platte im Allgemeinen zur Mitte hin subtil agiert, will sie hier im Speziellen nun eine plakativ drückende Schwere im ergreifenden Cinemascope erzeugen – doch wie hintergründig Caspian die eigentlich wüsten Gitarrenexzesse hinter der deliriant aufgebrachten Wucht verstecken ist zumindest faszinierend.
Am besten, weil am konkretesten bei künftigen Großtaten und am wenigsten nahe an den seit jeher immer gleichen Strukturen, die auch Will Yip der Band nicht experimentell-mutiger abgewöhnen konnte, ist die Übergangsplatte On Circles dennoch ausgerechnet dann, wenn die Amerikaner auch das Mikrofon für ihre Mosaike besetzen, und die instrumentalen Landschaften homogen mit Gesang bereichern. Das wundervoll melancholisch betrübte, unaufdringlich und ruhig in sich gekehrte Nostalgist positioniert sich mit Kyle Durfey irgendwo in den Gefilde von dessen Stammband Pianos Become the Teeth und dem dreampoppigen Emo der dritten American Football-Platte aus dem vergangenen Jahr, um eine tröstende Hoffnung zu suchen, während für den Closer und Quasi-Titelsong Circles On Circles Jamieson selbst am heimeligen, zeitlosen Lagerfeuer zu entschleunigtem Klampfen übernimmt, das Schunkeln später rührselig lächelnd über einen endlosen Folk-Fluss so wunderbar imaginativ und erfüllend führt.
Caspian nehmen den dann insgeheim doch noch über allem liegen bleibenden Schatten in die Arme, entlassen über starke, nach vorne blickende Highlights und zu sehr von der Vergangenheit gehemmte Standards entlang des großen Ganzen nicht nur ein bisschen ratlos, sondern doch wieder mit einem kleinen Kloß im Hals.
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