Manchester Orchestra – The Valley Of Vision

von am 19. März 2023 in EP

Manchester Orchestra – The Valley Of Vision

Erst die Zukunft wird freilich zeigen, ob The Valley of Vision noch etwas vage ein neues Kapitel in der Geschichte von Manchester Orchestra zu öffnen beginnt, oder ob wir es mit „nur“ mit einer Übergangs-Übung zwischen den Hauptwerken zu tun haben.

Es sieht aktuell allerdings durchaus danach aus, als würde das Quartett aus Atlanta einmal mehr zu anderen Ufern aufbrechen, ohne dabei seine Trademarks zu verlieren: Nachdem die Band sich mit No Rule gewissermaßen von The Million Masks of God verabschiedet hat, erfindet sie sich nun entlang der freilich immer unverwechselbaren Stimme von Andy Hull und dem weiterhin die beschwörende Epik in hymnische Melodien packen könnenden Songwriting im elektronisch angehauchten, ambient der Melancholie folgenden Art Pop zumindest ein kleines Stück weit neu.
Auch, indem sie unter mithilfe der Produzenten Jamie Martens, Catherine Marks und Ethan Gruska andere Wege im Entstehungsprozess wählt: „Making The Valley of Vision was an exciting idea of what the future could be for us in terms of how we create. None of these songs were written with the band being in the same room in a live setting. They were really like science experiments that started from the bottom and were added to gradually over time. We’re intrigued by doing things the wrong way, or attempting things we haven’t done before and getting inspired by them.

Ätherisch und (be)ruhig(t) stemmen nun Synthies und Keyboards den Klangkosmos, Gitarren spielen nur noch eine sehr überschaubare Rolle. Capitel Karma erwacht so tröstend still pulsierend am Piano, warm und weich, sanft in Zeitlupe perlend und mit bedächtig pochendem Minimalismus. Nachdenklich fließend nimmt die Melodie in den Arm und bäumt sich hinten raus behutsam auf, richtet das Spotlight aber eigentlich bereits auf den am weitesten aus vertrauten Gefilden wandernden Song der Platte: The Way ist eine sakral schimmernd gezupfte Elektro-R&B-Annäherung, vor allem aber ein subversiv erhebender Ohrwurm sondergleichen: „Do you wanna find the antidote?/ Driving with the Holy Ghost/Holy death, the holy smoke/ And does it start again?/ I’ve been drinking from a periscope: Trying to watch my obstacles/ See how fully I’ve been broke/And let me start again…“. Eine Hook, die zum besten gehört, was die Band bisher geschrieben hat; ein Paradigmenwechsel, der etwas komplettes und rundes hat; bevor der Gesang ins Falsett kippt und wohl auch Bon Iver gefallen könnte.

Der folgende Rest kann keine derart hartnäckigen Eindrücke nachhallen lassen, senkt das etablierte Niveau aber genau genommen auch nicht.
Quietly schunkelt friedlich plätschernd in patentierter Schönheit, erblüht später auch doch noch mit Gitarren und marschierenden Drums, derweil Letting Go als abgedämpft phasenverschobenes Pluckern den versöhnlichen Synth Pop gibt, den Hintergrund sedativ in den Texturen mit einem zurückhaltenden Beat verschwimmen lässt, bevor Lose You Again als bezauberndes, unspektakuläres Acoustic-Kleinod mit dezent angedeuteten orchestralen Schemen der Arrangements sich sofort vertraut und heimelig anfühlt, auch symptomatisch für die subversive Dynamik der Platte steht.
Denn nicht nur das so passend betitelte Rear View ist in seinem Kern klassisches Manchester Orchestra-Material, nur eben durch das Klangbasteler-Prisma entschleunigt in einem ungewohnten Gewand erscheinend – das zur Ästhetik der Band allerdings fabelhaft passt, nicht erst, wenn der Closer hinten raus schillernd zu jubilieren beginnt und der Rückspiegel nach vorne blicken lässt. The Valley of Vision ist ein homogenes Werk, vielseitig und ganzheitlich, aber oft nicht die gewohnte konsequenz in Sachen Tiefgründigkeit und Intensität erschaffend, wenn Hull, McDowell, Very und Prince gefühlt noch ein bisschen zu unverbindlich an den neuen Möglichkeiten kratzen, zumal sie immer wieder in Aussicht stellen, wie aufwühlend und ergreifend diese stilistische Kurskorrektur für Manchester Orchestra an der Schwelle zu einer neuen potentiellen Hochphase sein kann.

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