Messer – Kachelbad

von am 9. Juli 2016 in EP

Messer – Kachelbad

Das Label, die Besetzung und auch die Perspektiven – vieles ist neu im Hause Messer. Wohin die Reise mit dem in den Startlöchern stehenden dritten Studioalbum [amazon_link id=“B01FYHN33E“ target=“_blank“ ]Jalousie[/amazon_link] insofern gehen wird, bleibt trotz (oder gerade wegen) der so viele zusätzliche Möglichkeiten aufzeigenden Kachelbad EP praktisch unberechenbar.

Was sich jedoch bereits orakeln lässt: Die drei Jahre seit Die Unsichtbaren scheinen definitiv nicht spurlos an der Gruppe aus Münster vorübergezogen zu sein. Man ist am personellen Wechsel zum Quintett wohl ebenso gewachsen (Synthies! Percussion!), wie an den konsequent die stilistische Perspektiven erweiternden Nebenschauplätzen. Weswegen das dritte Studioalbum den Sound der Gruppe wieder ein Stück weit neu erfinden dürfte.
Diesen Schluss legen zumindest die drei auf der vorauseilenden Kachelbad EP versammelten Songs nahe, die wie selbstverständlich neue Facetten in den Messer’schen Kosmos fließen lassen und den kompakten Herold im homogenen Gesamtfluss an jeweils unterschiedlichen Wirkungsbereichen des Spektrums positionieren.

Den eröffnenden Titeltrack trägt der rezitierende schlanke Intellektuelle mit Kurzhaarfrisur Otremba mit beinahe Kinski-würdiger Intensität über delirante Klangwelten, die sich mit verruchter Tiefe irgendwo zwischen der Experimental-Erzählung Ein Film war zuende, nur ein Film und den hypnotischen Ambient-Forschungen von Bassist Pogo mit Kumpel Raune abspielen, addiert dazu aber ein fiebrig flirrendes Jazz-Flair. Wie markant Otremba mit Intonation und Sprachgefühl Präsenz und Gewicht für seine Poesie einfordert ist da mindestens ebenso faszinierend wie die atmosphärische Ausbreitung der Musiker dahinter: Messer füllen in diesem Prolog den Raum mit nebulöser Dichte, zeigen schon hier den Entwicklungsschritt, den man entlang der neuen Möglichkeiten in der höheren Personaldichte vom relativ Minimalistischen zum Sphärischeren vollzogen hat – liefern aber im Grunde primär das Vorspiel für einen der stärksten, ungewöhnlichsten Songs der Bandgeschichte, in dem Messer auf ungekannt versöhnliche Art jedwedes Distanzgefühl überbrücken und in ihren immer reichhaltiger ausstrahlenden Bannkreis ziehen.

Das nachdenkliche Der Mann, der zweimal lebte legt seine funkelnden Texturen auf wärmend oszillierende Orgelklänge, die Percussion pulsiert entspannt aber bestimmt nach vorne. Das ist zärtlich vertonte Sehnsucht und eine entrückte Traurigkeit, der Soundtrack um sich durch unwirkliches Neonlicht treiben zu lassen. Die fulminant losgelöste Gitarre von Milek adaptiert dabei rotierend die hymnische Nostalgie im Postpunk mit der weitläufigen Tiefe des Postrock – und ja: Endlich mal verneigt sich wieder einmal jemand mit erkennbar eigener Handschrift vor dem jungen The Edge.
Ihren typischen Drive gibt das Quintett selbst in dieser Einkehr nicht auf, Messer Songs hantieren eben auch im Wohlklang mit einer inneren Unruhe – näher dran am verletzlichen Lovesong als in diesen zutiefst melancholischen viereinhalb Minuten war die Gruppe bisher jedoch noch nicht. Wenn sich das Herzstück der EP immer deutlicher in eine sich verselbstständigende Eigendynamik auflöst, übernehmen die Dedektive: ein funky shakender Zickzack von einem flanierenden Ohrwurm, smart und kompakt, aber doch in psychedelischer Schieflage schimmernd.
Die drei angehängten Remix-Arbeiten rund um die elaboriert adelnde Factory Floor-Tanzfläche führen diese rhythmische Gangart mit Gespür für den Club logisch fort, machen die Sachlage aber eigentlich nur noch schwieriger: Die Wartezeit auf Jalousie wird hiernach erst Recht zur absoluten Geduldsprobe.

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