Metz – Strange Peace
Dass die Entwicklung vom selbstbetitelten Debüt hin zu Album Nummer II auf Kosten der Substanz im Songwriting der kanadischen Noiserocker ging, scheint Metz nicht zuletzt dank der Hilfe des alten Genre-Fuchses Steve Albini aufgegangen zu sein.
Die daraus abgeleiteten Konsequenzen mündend wiederum im bisher stärksten Album der Band. Auch, weil der Sound (mit seiner ungeschliffenen Direktheit im Allgemeinen sowie der angriffslustigen Schärfe in der Gitarre und der hemmungslosen Wucht der Rhytmussektion im Speziellen) typisch für Albini-„Produktionen“ exzellent intensiv und unmittelbar ausgefallen ist.
Primär jedoch deswegen, weil Metz gerade aus diesem dringlichen Klangraum heraus attackierend bewusst geworden ist, dass es trotz aller angepisster Attitüde nicht zwangsläufig genug ist sein muss, jedwede brodelnde Energie in ständigem roh den Exzess suchenden Radau umzusetzen, oder permanent unbequem quergestellt gegen den Strich gebürstet eskalieren zu wollen.
Strange Peace geht die Dinge hinter seinem überspitzten Titel insofern differenzierter an als seine beiden Vorgänger, variiert die Intensität der schwingenden Abrissbirne und öffnet das Songwriting des Trios nicht nur für greifbarere Melodien und aus dem Pit abholende Parts, sondern im Extremfall sogar für den Moment, in dem Metz näher dran an ihrer ureigenen Form der Ballade sind, als man jemals für möglich gehalten hätte.
Gemeint ist der Unruhestifter Caterpillar – die Definition Ballade in seinem Zusammenhang aber äußert vorsichtig zu verstehen. Zumindest inszenieren Metz ihre Dringlichkeit hier ein wenig sanfter und weniger harsch als sonst. Plötzlich steht Alex Edkins schließlich alleine in einem unter Strom stehenden Aufnahmestudio, singt im Hintergrund einer sich lauernd umgarnenden Gitarreninteraktion regelrecht melancholisch, anstatt hyperventlierend zu keifen und schreien. Die giftigen Saiten klimpern und perlen, wie eine rotzige kleine Swans-im-Noisepunk-Odyssee im spartanischen Ambiente. Oder so ähnlich.
Jedenfalls eine neue Facette im zuletzt so festgefahren geglaubten Sound der Band, die Cellophane zuvor bereits ideal eingeleitet hat: Metz drosseln bereits dort das Tempo und rocken zurückgelehnt, packen im Chorus gar eine 60s-affine Freundlichkeit aus, die im Kontext freilich immer noch hässliche Fratze ist, bevor die Band in einem räudigen Groove verfällt. Denn nicht, dass wir uns falsch verstehen – diese Songs wüten immer noch radikal und Metz haben keineswegs ihren Biss verloren. Sie haben nur ihre Zähne gefinkelter geschliffen und damit umso fieser angespitzt.
Mess of Wires hämmert deswegen bereits stoisch und repetitiv nach vorne, beginnt aber in Bögen zu schwelgen und hat einen Refrain an Bord, er fast schon hymnisch aufgeht. Auch Drained Lake poltert drückend aufs Gaspedal, fleht und spuckt, als würden Insekten aus der Gitarre strömen: Ein dreckiger kleiner Apokalypse-Rocker, der irgendwann über sich selbst herfällt. Lost in the Blank City bollert dagegen mit Industrial-Kante, reibt sich an tollwütig beschwörendem Gegreine auf und bleibt dennoch bluesig, biestig und geduldig. Die immer wieder herbeigesehnte Melodie hat durchaus etwas verstörend leichtfüßiges, hymnisches und optimistisches, während die Band drumherum psychotisch flackert, als stünden sie noch immer bei Three One G unter Vertrag.
Mr. Plague galoppiert auf der Überholspur gedroschen wie das Skelet eines The Eighties Matchbox B-Line Disaster-Querulanten, macht den punkigen Singalong in Stacheldraht gewickelt. Sink oszilliert dafür kontemplativ über seine dreiteilige Tonfolge, gurgelt, stülpt sich immer wieder eine kratzende Dornenkrone als verdammt kaputt neben der Spur klirrende Anmut über, bevor Common Trash wieder mit Gespür vor zerstörte Harmonien randaliert – als würde Ty Segall sich selbst mit einem Knüppel die Tollwut austreiben wollen, trieft dem Song der Schweiß kakophonisch aus den Poren.
Wenn es zu diesen Zeitpunkt noch eines Beweises bedürfte, dass Metz mit Strange Peace über ihren bisherigen Horizont hinausgewachsen sind, schießen die drei aus Ottawa ihn zum Finale hinaus: Escalator Teeth deutet in seiner spröden Trennung der Instrumente eine archaische Drangsalierung vom Weltraum in die Folterkammer in gerade einmal 47 Sekunden an; Dig a Hole kurbelt von der Tarantel gestochen auf die Achterbahn und hätte gut und gerne im Hardcore landen können, Metz swingen jedoch lieber Richting Cloud Nothings. Und das abschließende Raw Materials übernimmt dort dann erst nah dem Robot Rock der Queens of the Stone Age, treibt sich aber doch lieber räudig hin zur Schnittmenge aus Daughters-Irrsinn und Meat Wave-Wahn, und wächst am Ende kurzerhand zum knapp sechsminütigen Fiebertraum-Jam.
Wo an dieser Stelle bezüglich des direkten Vorgängers abschließend Ernüchterung herrschte („…Metz [haben] seit ihrem Einstand 2012 im Grunde keinerlei Entwicklung durchgemacht. Noch einen derartigen Aufguss der bewährten Formel wird es dann allerdings trotz aller (diesmal noch einmal) mitreißender Konsequenz wohl eher nicht brauchen.“) knallt einem Strange Peace diesbezüglich den Mittelfinger genüsslich in die Fresse. Gleichzeitig den Haupteingang eintretend und über die Hintertür kommend, machen die Kanadier offenbar erst jetzt richtig ernst – Chapeau!
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