Mount Eerie – Now Only

von am 29. März 2018 in Album

Mount Eerie – Now Only

A sequel or continuation down the path that began with A Crow Looked At Me„: Die Welt des Phil Elverum dreht sich immer noch ausnahmslos um den Tod seiner Frau Geneviève Castrée, jedoch hat sich der Fokus für den anhaltenden Verarbeitungsprozess auf Now Only merklich erweitert.

Dass Now Only so unmittelbar auf die 2017er-Erschütterung A Crow Looked at Me aufgenommen wurde, erklärt Elverum irgendwann gleich selbst auf seinem neunten Album unter dem Mount Eerie-Banner „But sometimes people get killed before they get to finish/ All the things they were going to do/ That’s why I’m not waiting around anymore“.
Gewissermaßen eine durchaus lebensbejahende Einstellung, die als Antrieb hinter Now Only fungiert. Ganz generell scheint Elverum außerdem so langsam ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen, zumindest einen gewissen Zweckoptimismus walten zu lassen. Darauf deuten nicht nur einzelne Textzeilen („But now I notice ravens instead/ I don’t see you anywhere/ If you still hang in the branches/ Like burnt wood, I will go out beneath/ With arms reached and run my fingers through the air/ Where you breathed, touching your last breath/ Reaching through to the world of the gone with my hand empty“) sowie ein grundsätzlich allgemeinerer Bezug zum reflektierten Tod über collagenhaft verbundenen Erinnerungsfetzen hin, die Now Only als Memoiren-Postkartensammlung von der ersten Begegnung Castrée über das erste Mal, einen toten Menschen gesehen zu haben, bis hin zu abstrakt erscheinenden Kunst-Referenzen spannen.

Elverum konzentriert sich diesmal weniger auf den Schmerz des Verlusts, als vielmehr auf glückliche Erinnerungen und damit verbundene Assoziationen. „That’s what this record is about: the disorientation of trying to stay in the present moment — that’s why it’s called Now Only — but still being pulled, mentally, into the past, and into thinking about the future and what will be remembered of me when I die„.
Wo Elverum sich aufgrund dieser Gewichtsverlagerung im Fokus auch lyrisch von der rein dokumentarischen Nüchternheit des Vorgängers vorantastet, entwickelt sich auch das inszenatorische Repertoire an den Gegebenheiten. Immer wieder ist da nun auch (bisweilen sogar hoffnungsvoller) ein eine gewisse Aufbruchstimmung suggerierender Grundton einer stilistisch breiter aufgefächerten und instrumental über Elverums Stimme und akustischen Reduktions-Folk hinausgewachsenen Platte. Das eröffnende Tintin in Tibet nimmt zwar den Faden seines Vorgängers unmittelbar auf, webt allerdings einen sanften Rhythmus in das Gefüge mit ein und steht damit stellvertretend für die generelle Bewegung, die Elverum mittlerweile aufgenommen hat. Später treiben zwar nur noch der Witwer und seine Gitarre im Zentrum, doch breitet sich dort ein romantisch in die Vergangenheit blickend gezupftes Stück Nostalgie aus, das stets um Nuancen weniger bedrückend als das A Crow Looked at Me-Material schwebt und in die Zukunft blickt.

Elverum geht damit über die versammelten 44 Minuten immer wieder auf den Hörer zu, reicht ihm sogar die Hand, anstatt ihn schonungslos in seine Welt und Perspektive zu ziehen – am deutlichsten freilich im förmlich eklatant aus dem restlichen Gefüge herausstechenden Refrain des Titelstücks.
But people get cancer and die/ People get hit by trucks and die/ People just living their lives/ Get erased for no reason/ With the rest of us watching from the side“ singt Elverum und zelebriert dabei praktisch unumwundenen Pop. Ein Piano verleiht der griffigen Eingängigkeit eine beinahe liebenswert schunkelnde Niedlichkeit, der Rhythmus gleitet feingliedrig und eine musikalische Leichtig- und Bekömmlichkeit konterkariert niederschmetterte Texte, die Kozelek mit geschlossenen Augen tänzeln lassen. Durchaus eine interessante Entwicklung, zumal die Melodie (denen Elpherum mittlerweile phasenweise nicht mehr abgeneigt ist) das Zeug zum Ohrwurm hat und theoretisch sogar eine potente Steilvorlage zum Mitsingen wäre – auf den Festivals, von denen Elverum im restlichen Song erzählt.
I wrote down all the details of how my house fell apart/ How the person I loved got killed by a bad disease/ Out of nowhere for no reason and me living in the blast zone/ With our daughter and etcetera/ I made these songs/ And the next thing I knew I was standing in the dirt/ Under the desert sky at night outside Phoenix/ At a music festival that had paid to fly me in/ To play death songs to a bunch of young people on drugs/ Standing in the dust next to an idling bus/ With Skrillex inside and the sound of subwoofers in the distance/I had stayed up til three/ Talking to Weyes Blood and Father John Misty/ About songwriting in the backstage bungalows/ Eating fruit and jumping on the bed like lost children/ Exploding across the earth in a self-indulgent all-consuming/ Wreck of ideas that blot out the stars/ To be still alive felt so absurd„. Das hat durchaus etwas von den jüngeren Episoden der Sun Kil Moon-Geschichte.

Vielleicht muss Elverum diesbezüglich ohnedies aufpassen, dass er nicht in die selben Fallen treten könnte, in der Mark Kozelek mittlerweile festhängt – am eklatantesten nachzuhören in Distortion. Was mit einem finsteren Drone beginnt, entpuppt sich weniger als Nachhall auf das Meisterwerk [amazon_link id=“B002LGX2WY“ target=“_blank“ ]Wind’s Poem[/amazon_link], sondern funktioniert vielmehr wie eine Kozelek-Komposition in der Zeitrechnung nach Benji. Bald perlt nur noch eine repetitive Gitarrenfigur zu Elverums sprechsingender Stimme, die zu einem lamentieren Stream of Conciousness zu werden droht. Die Musik und die Poesie endlos fliesender Texte lassen jedoch keine unmittelbare Beziehung zueinander erkennen, interagieren nicht intuitiv, das eine läuft zu unbeeindruckt neben den anderen her. Ein Piano und gedoppelte Backingstimmen verdichten die Atmosphäre, der Drone kocht wieder langsam auf – der instrumentale Aspekt will nicht mehr nur pragmatische Grundlage für die Geschichte sein, diese Ambitionen funktionieren aber nur bedingt.
Letztendlich spinnt die suboptimale Symbiose aber dennoch ein einnehmendes Miteinander, die scheinbar willkürlich verwobenen Stories zeichnen zumindest ein bildhaftes, im Gegensatz zu Kozelek auch emotional abholendes und pointiertes Zeugnis der Geschichte von Phil und Geneviève. Elverum gelingt es (wenn auch diesmal mit Abstrichen) noch einmal, essentiell-universelles über (Umwege und dennoch) zutiefst persönliche Intimitäten zu erzählen, authentisch, profan und existentialistisch zu berühren.

Dennoch erweist sich der grundlegende Ansatz von Now Only als zweischneidiges Element der Platte. Die größere stilistische Variabilität im Auftreten wirkt anziehend, die Platte erschließt sich weitaus weniger monoton und gleichförmig als A Crow Looked at Me.
Doch offenbart sie eben auch Mängel im Songwriting an sich. Earth beginnt etwa mit scheppernden Schlagzeug und Garage-Flair, beruhigt aber bald und baut seine Stimmung mit einer abgedämpften Gitarren und unterfütterdem Organ auf, klingt wie der vorbereitete Climax in einem epischen Rührstück, den normalerweise Indie-Stadionbands auf emotionale Eruptionen in US-Serien pochend vorbereiten. Damit liebäugelt Elverum, beißt dann aber doch lieber wieder mit der Rückkehr zum Distortion-Rock gefahrlos zu, reiht diese Passagen letztendlich wenig ausgefeilt im Wechselspiel aneinander. Die Nummer verweist auf Wolves in Throne Room („Another place I poured your ashes out/ Was on a chair on top of a mountain pointed at the sunset/ I went back there last week after a year has passed/ And noticed the chunks of your bones that haven’t been blown away/ Are indistinguishable from the other pieces of animal bones/ Brought there by coyotes, vultures, and gods/ Against my will I felt a little bit of solace creeping in/ But I laid there on the moss/ Compost and memory/ There’s nothing else/ I can hear Wolves in the Throne Room singing:/ ‚I will lay down my bones among the rocks and roots'“.)  und im Hintergrund der hypnotisch pulsierenden Geduld branden stille Black Metal-Ahnungen auf, doch bleibt der Song friedlich.

Auch Two Paintings by Nikolai Astrop baut auf eine Klammer aus tröpfelndem Gitarrenlagerfeuer, bevor abermals der selbe pochende (beinahe Snow Patrol’eske) Spannungsaufbau wie in Earth praktiziert wird, nunmehr sogar zum einzigen kompositionellen Muster erkoren wird.
Das aubfbäumende Crescendo für das Finale wird immer wieder ausgebremst und vor allem kompositorisch nie befriedigend aufgelöst. Ein MO, der hier wie schon bei Earth nicht der zielführende Part eines zu Ende gedachten Songs ist, sondern eher eine willkürliche Konzentration dasrtellt, antiklimatisch zur klassischen A Crow Looked at Me-Gangart arrangiert ist. Insofern hat die minimalistische Reduktion und bewusste Limitierung der Vorgängerplatte mit ihrem Verzicht auf jedwede Melodien oder dynamische Bandbreiten – die Musik als reines Mittel zum Zweck – auch besser funktioniert, als das zu nicht restlos zu Ende gedacht wirkende – eventuell auch nur zu spontan entstandene-  Material hier. Vielleicht stimmt es für Elverum deswegen also – „It’s not for making into art.
Wenn das finale Crow, Pt.2 zu guter letzt so versöhnlich den Closer der Vorgängerplatten fortsetzt und mit zusätzlichen Piano Tupfer ausstaffiert, stellt sich jedoch auch die Frage, ob man als Außenstehender vielleicht auch einfach nur abstumpfen kann. So pietätlos, distanziert oder empathiebefreit dies auch sein mag – Now Only fühlt sich nämlich (abseits oder auch wegen seiner songwriterischen Defizite) schlichtweg nicht so essentiell und packend an, wie A Crow Looked at Me.

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