Ought – More Than Any Other Day

von am 18. Mai 2014 in Album, Heavy Rotation

Ought – More Than Any Other Day

Weil Alec Ounsworth auch mit ‚Only Run‚ die einst aufgebrummte Bürde  als medial ausgerufener Nachlassverwalter der Talking Heads nicht mehr stemmen kann, schickt ausgerechnet Kanadas Experte für Postrock, Constellation Records, eine ihren Postpunk zwischen allen Stühlen platzierendes Quartett um den exaltierten Sänger Tim Beeler ins Rennen.

Der tanzt seiner Band mit seiner sich überschlagenden und elaborierten Intonation nicht nur ähnlich voran wie es der Clap Your Hands Say Yeah-Frontmann Ounsworth und David Byrne es tun und taten, sondern schrammt stimmlich immer wieder an den beiden prominenteren Sängern vorbei. Beeler hofiert dieses fiebrig-kontrollierte, überheblich-maßregelnde, bisweilen manisch überschwängliche und hysterisch predigende Element mit seinem Organ, er fordert bei der Vorstellung der eigenen Songs Dinge wie „So open up your textbooks or a magazine/ Or a novel; any kind of reading material will do“ und schwelgt ohne Rücksicht auf  die richtigen Töne in Utopien: „Yeah, forgiveness is a drug/ That you take with a shrug/…/ And while I wait, while I wait“ und klingt dabei wie eine windschiefe Arcade Fire-Hymne aus einem dissonanten Paralleluniversum.

Letztendlich ist er dabei wie in der wunderbar melancholisch-unaufgeregt ausholenden Minimalismus- Achterbahnfahrt ‚Habit‚ allerdings auch gar nicht immer so schiefen Melodien verpflichtet, die seine Band trotzdem angenehm kauzig neben der Spur als Schmelztiegel der Einflüsse zelebriert, Beeler fleht sich trotzdem das Herzblut im Gemeinschaftsmodus aus der Kehle: „And you feel whole with it, but you just can’t get relief/ And there it comes again/ And you give in again/ And you give in again, your limitation/ And is there something you are trying to express yeah/ Express it with me/ Express it with me“. Die Grenzen zwischen Musiker und Zuhörer, sie werden immer wieder durchtrennt, „Everyone’s in the band“ sagen Ought und inszenieren ihr Gebraä als Gemeinschaftserlebnis.
When you’re living in the shell/ Saying what and how we/ We are“ fiebert das nervös gegen den Strich gepinselte ‚Pleasant heart‚ und springt wie ein statisch aufgeladener Kaugummi durch kaputten Mathrock, zurückgenommen aufgeschrammelte Ruephasen und die ganz frühe Liars-Discography, hat aber die Hausaufgaben für sein Gitarrengeplänkel eindeutig bei Sonic Youth gemacht. Auch ‚Today More Than Any Other Day‚ schrammelt, nachdem sich der Song erst einmal aus seinem entschleunigt gechleppten Rhythmusgruppenstolperer mit dem Zutritt aufs Gaspedal freigeschwommen und als mitreißender Ohrwum verselbstständigt hat. Ought sind hier ideologisch tief im Indie-Avantgarde der New Yorker Szene verwurzelt, während Beeler atemlos rezitiert, als stünde er Mewithoutyou oder Listener vor.

Das hibbelig motivierte ‚The Weather Song‚ tänzelt danach um seine nervösen Gitarren (oder besser: eine Gitarre und ein Keyboard, das wie eine Gitarre klingt) und macht spätestens im grandios  mitreißend auf die Tanzfläche pressenden Refrain mehr richtig, als es Parquet Courts im gesamten Verlauf vom ‚Sunbathing Animal‚ gelungen ist. Spätestens hier wird klar: Ought lieben verschachtelte Umwege, können aber auch bedingungslose Hits, wenn es denn sein muss. „Tell me what the weather’s like/So I don’t have to go outside/ And I’ll shut up and spend a week inside my head“ giftet Beeler zum stampfenden Rhythmus und genau genommen sind Ought hier besser denn je, wenn sie ihren Drang Kunst zu machen weitestgehend komplett hinter sich lassen und auf unkultiviert-kultivierte Art ihrer Impulsivität nachgeben.
Vor allem hinten raus wecken das hibbelig um seine Explosionen kreisenden ‚Clarity!‚ oder der randalierende Unruhestifter ‚Gemini‚ in einem unruhig zerissenen Albumfluss zwar die Vermutung, dass ‚More Than Any Other Day‚ vor allem der nicht rundum runde Versuch ist, die rohe und zügellos infizierende Energie der einen furiosen Ruf genießenden Liveband Ought einzufangen – was bleibt ist dennoch ein Debüt, dass dem Avantgarde-Indierock/Post-Punk nicht nur frischen Wind bringt, sondern das Genre im Sturm nimmt.

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