Various Artists – I’ll Be Your Mirror: A Tribute To The Velvet Underground And Nico

von am 25. September 2021 in Compilation

Various Artists – I’ll Be Your Mirror: A Tribute To The Velvet Underground And Nico

Kurz vor seinem 55. Geburtstag verneigen sich auf I’ll Be Your Mirror: A Tribute To The Velvet Underground & Nico alte Legenden und aktuelle Lieblinge des Indie- und Alternative Rock vor dem auf ewig bahnbrechenden Bananenalbum.

Ohne den kasteienden Exzess oder das radikal inspirierende Sprengpotential des Originals neu aufkochen zu wollen, führt dies zu einigen wirklich feinen Szenen. Michael Stipe zeigt in einer ambient und elegisch mit ruhigem Bass in den Minimalismus gemalten, am Ende durch den geduldigen Beat über die introspektiv entschleunigte, soulig schimmernde Grandezza getragenen Version von Sunday Morning etwa, dass seine charismatische Stimme in dem Jahrzehnt ohne R.E.M. absolut wunderbar gealtert ist.
Sharon Van Etten zaubert aus Femme Fatale einen melancholischen Zeitlupen-Traum am schwofenden Piano, der später auch behutsam Elemente wie weiche Streichern und einen wohltemperierten Chor einflicht, so dass sich die unwirkliche Atmosphäre wie ein Blick in eine alternative Vergangenheit vor die Zeit von The Velvet Underground anfühlt. King Princess interpretiert There She Goes Again mit leichten textlichen Adaptionen unkompliziert poppig schrammelnd und tritt hinten raus surfend auf das Gaspedal, während Fontaines D.C. zwar angriffslustig polternd rezitieren, aber sich auch etwas zu schaumgebremst zurückhalten – wohlwissend, dass European Son als Finale sowieso die Kastanien aus dem Feuer holen wird.

Hier erledigen das (ein bemüht manisch wirkender, weil etwas desorientiert und fast hilflos gegen die instrumentale Lofi-Hatz antaumelnden) Iggy Pop und Matt Sweeney im Verbund, und wirken nach den vorangegangenen Verneigungen fast fast schon gefährlich, wenn eine herrlich nervöse Reduktion in räudiger Penetranz so konsequent immer weiter durchgezogen wird. Den einzigen ähnlichen, annähernd halbwegs aufgerauhteren Kontrast liefern übrigens zwei andere ältere Semester, wenn Thurston Moore mit Bobby Gillespie hinter einem wattierter Schleier den Gitarren für Heroin  zwar etwas mehr Dissonanz anbieten, aber im bekömmlichen Spektrum von I’ll Be Your Mirror: A Tribute To The Velvet Underground And Nico bleiben; also eine anschmiegsame Symbiose aus Ecken und Kanten mit gehauchter Verdaulichkeit bieten, aufmüpfig köcheln, aber keineswegs kaputt erscheinen.
Das einzige Risiko der Platte gehen ohnedies St. Vincent And Thomas Bartlett ein: All Tomorrow’s Parties ist nun eine diffus aus dem Leim gehende Elektro-Akustik-Klanginstallation um ein Piano, die als Spoken Word-Vocoder-Erzählung formoffen arrangiert das Original mit sanfter Gewalt brechen will, bevor die nostalgischen Akkorden irgendwann warm und versöhnlich a la Jon Hopkins aus den Tasten tröpfeln. Das Ergebnis ist nicht unbedingt bedingungslos gelungen – aber allemal interessant und mutig, zumal das verdammt viele Leute hingebungsvoll hassen werden.

Auch ist diese Aufarbeitung per se spannender als Matt Berningers so geschmeidig und nonchalant und smooth auf Nummer Sicher gehendes (und damit schon einiges richtig machendes) I’m Waitung for the Man als kultivierter Elder Statesman-Noiserock im Samtanzug samt edlem Stecktuch; der (zu lange und zu unpointiert) von Andrew Bird und Lucius auf der Violine gezupfte, halluzinogen-sinnierende Avantgarde-Folk Venus in Furs; oder Run Run Run, für das Kurt Vile mit seinen Violators im Roadhouse/Country-Vibe und Strom-Gitarren zu einer Glam-Version poltert.
Dass sich I’ll Be Your Mirror: A Tribute To The Velvet Underground And Nico – selbst aus heutiger Sicht relativierend im Gegensatz zu dem bald fünfeinhalb Dekaden alten Ursprungsmaterial – im Zweifelsfall stets dafür entscheidet bekömmlich, gefällig und ein bisschen harmlos aufzutreten, ist dabei gar kein grundlegendes Problem, wie das Highlight der Platte zeigt: Courtney Barnett trifft den verschrobenen Kern des Quasi-Titelsongs einerseits perfekt, übersetzt das Stück aber gleichzeitig es sich nahtlos zu Eigen machend auch in ihr Hohheitsgebiet und liefert einen charmanten, wunderbar runden Slacker-Ohrwurm.

 

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