The Vines – Wicked Nature

von am 5. Oktober 2014 in Reviews

The Vines – Wicked Nature

Die Zahl all jener, die noch einer neuen Veröffentlichung der Vines entgegenfiebern dürfte mutmaßlich bereits gering genug sein. Die Zahl all jener, die sogar auf ein  Doppelabum der Australier warten…nun ja. Dabei hätte ‚Wicked Nature‚ um einigen Ballast erleichtert eine durchaus runde Sache werden können.

Vorab auch diesmal: ja, die gibt’s immer noch. Zwar ist von der Stammbesatzung mittlerweile nur noch Frontman/Songwriter Craig Nicholls übrig. Legitimiert ist die Entscheidung unter dem etablierten, aber längst verblassten Vines-Banner weiter von altem Ruhm zu zehren dennoch: einerseits, weil der Bandchef den Sound seiner Band immer schon definierte und auch ‚Wicked Nature‘ nahtlos im bisherigen Schaffen verankert klingt, ohnedies soweit alles beim alten bleibt und die vielleicht größte Überraschung die Abstinenz von ‚Autumn Shade VI‚ darstellt; andererseits aber auch, weil mit neuer Rhythmussektion (Lachlan West und Tim John) sowie Nicholls höchstselbst am Produzentenstuhl doch ein eindeutiger Aufwärtstrend nach dem grottenschlechten ‚Future Primitive‚ zu vermelden ist – selbst, wenn sich der Tatendrang der neuen Gruppenkonstellation vor allem in quantitativer Hinsicht ausgewirkt hat. 22 bissfertige Songs servieren The Vines diesmal, verteilt über 2 CD’s und schlanke 55 Minuten Spielzeit. Das ist im Grunde natürlich keineswegs eine erschlagende Masse an Material, allerdings im konkreten Fall dennoch zu viel des Guten: ‚Wicked Nature‚ mäandert einfach mit zuviel Leerlauf durch einen durchaus netten, mediokren bis vielversprechenden Songreigen, dem ohne anhaltende Langzeitwirkung dazu allerdings auch schlicht der nötige Killerinstinkt fehlt.

Dabei haut Nicholls gleich zu Beginn motiviert in die Vollen, tritt die Verstärker durch und zitiert sich gleich vier Songs lang durch die Nirvana-Discography im Allgemeinen und ‚In Utero‚ im Speziellen, schreit im breitbeinigen ‚Metal Zone‚ von „Rock’n’Roll“ und „Medicals“ und hat gar Zeit für ein kehliges Hardrock-Intermezzo, bis er in ‚Psychomatic‚ ganz ungeniert ‚Territorial Pisssings‚ mit der Leadmelodie von ‚Walk Like an Egyptian‚ covert. Ein zwiespältiges Schwert: das drückt bereits nach den knackigen ersten 10 Minuten weitaus besser als alles auf ‚Future Primitive‚; immer, wenn das Vines’sche Patentrezept aber zu sehr in Richtung austickendem Verneigung vor Cobain und Co. mutiert, wirkt das derart hart an der Grenze zum Plagiatsfall (ironischerweise auch im eigenen Backkatalog wildernd), als wüsste Nicholls, dass seinem Songwriting schon lange die letzten Meter fehlen – und konsequentes Recycling ja doch den alten Glanz wiederbringen könnte.
Es ist natürlich eine alte Leier, dass The Vines abermals nichts schaffen, was sie nicht schon auf ‚Highly Evolved‚ zwingender gemacht hätten – zugutehalten muss man den Australiern diesmal jedoch, dass sie nach zwanzig Jahren – und auch schon ein Jahrzehnt nach dem Debüt – ohne nennenswerte Entwicklungsschritte zumindest mit einer neu gefundenen Frische für eine Kurskorrektur in der stets nach unten weisenden Formkurve sorgen.

Dazu unterstreicht auch ‚Wicked Nature‚, dass The Vines längst immer dann am besten sind, wenn ihr Laut/Leise-Wechselspiel zurücknehmen, und ihren Zwang bemühten Alternativerock mit den Mitteln des 90er Grunge zu spielen hinter ihre Liebe zu den Beatles sowie unaufgeregten 60s-Pop stellen und sich auf unaufregende Weise für die Hintergrundbeschallung eines lauen Sonntagmorgens empfehlen.
Nachzuhören in ‚Anything You Say‚ oder vor allem ‚Venus Fly Trap‚, einer angenehm fließenden Ballade, die ihre Anmut narkotisiert und spätestens wenn Folk-Flöten in den Song treiben wie eine gute Midlake-B-Seite von ‚Antiphon‚ klingt. Auch der Shalalalala-Sommerschunkler von ‚Truth‚, oder der verträumter akustikgitarrenpurzler ‚Slightly Alien‚ plätschern in die selbe Kerbe.
Reduziert auf die intimere Gangart, befreit von weiten Strecken der schwachen zweiten CD, aber mit den weniger blass bleibenden Highlights (wie dem flott stampfenden Ohrwurm ‚Out The Loop‚, dem sich zwischen smooth gackernden Bluesrock und psychedelisch ausfransendsten Tremolowabbern vertändelnden ‚Killing The Planet‚ [schöner Mix übrigens], dem hinten raus angenehm wüstenluftig aufmachenden Titeltrack oder vor allem dem wunderbare Melancholie und Größe verströmenden ‚Into The Fire‚) hätte ‚Wicked Nature‚ in Summe einen noch versöhnlicheren Eindruck hinterlassen, den Mangel an markant herausragenden Einzelsongs eloquenter kaschiert, den Fokus geschärft und eventuell gar den einen oder anderen Moment ins Langzeitgedächtnis gezogen.
Ob selbst dieser Kniff an der letztendlich zur unnötig ausgedehnten, bisweilen arg unspannend fadisierenden Bagatelle degradierten Platte etwas am Status Quo der Band geändert hätte bleibt freilich fraglich. Die Ausgangslage für ein weiteres Studioalbum ist dennoch eine bessere als es die Situation die letzten Jahre über war.04

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