The Vines – In Miracle Land

Craig Nicholls hat sich die relative Inspiration von Wicked Nature behalten, dazu aber zu einer altbekannten Kompaktheit zurückgefunden – und mit In Miracle Land insofern das wahrscheinlich überzeugendste Album der Vines seit Winning Days aufgenommen.
Wo Craig Nicholls in den vergangenen vier Jahren vor allem mit seinem Nebenprojekt White Shadows beschäftigt war, hat sich die Perspektive für seine (mittlerweile als – Achtung: Bild mit Symbolcharakter! – Vorband für die reformierten Jet herumtingelnde) Stammband durchaus verändert. Immerhin signalisiert der Status Quo derzeit allgemein eine potentielle Rückkehr zu einer alten Stärke bei den Australiern: Das Line Up der Vines umfasst mit Patrick Matthews, Hamish Rosser und Ryan Griffiths aktuell ja die selbe Mannschaft, die sich nach dem Release von Highly Elvolved um den schwierigen Frontmann formiert hatte. Der hat das siebente Studioalbum seiner Band zwar noch mit dem selben Personal eingespielt, das bereits Wicked Nature stemmte, doch der zurück zu den Wurzeln orientierte Charakter – qualitativ primär, weniger stilistisch betrachtet natürlich – ist auf In Miracle Land klar erkennbar.
Schon der Vorgänger war ja nach Jahren des mediokren Darbens aufgrund des aufgefahrenen Materials durchaus als Schritt in die richtige Richtung zu verstehen, doch war Wicked Nature als enervierendes Doppelalbum schlichtweg viel zu lang und unfokussiert ausgefallen, um sein Potential nutzen zu können. In Miracle Land setzt hier den Hebel an, konzentriert sich auf seine Vorzüge, gewinnt aber vor allem dadurch, dass es Nicholls schon lange nicht besser gelungen ist, einen kohärenten Albumfluss zu erzeugen, indem er das Gleichgewicht der beiden prägenden Pole seines Songwritings (dem typischen Wechsel zwischen Laut und Leise aus zweckmäßig eindimensional-solide rockenden Grunge-Ventilen ala Nirvana sowie angenehm zu den Beatles dösenden Pop-Intimitäten) auch ohne tatsächlich überragende Hits (aber einigen Highlights) gekonnt homogen ausbalanciert. Die Ausbrüche wurden dafür zurückgefahren, die energische Auslegung generell softer und ruhiger mit gedrosselter Impulsivität ausgelegt. Freunde der eskalierenden Vines werden insofern wohl weitestgehend eine Enttäuschung erleben – der Rock’n’Roll ist auf Album Nummer 7 nur eine schaumgebremste Angewohnheit, um die Gesamtdynamik zu variieren.
Zwar eröffnet In Miracle Land mit dem generischen Standard Hate the Sound entlang eines simplen Riffs und netten Refrains als pflichtbewusstes Rock-Malen nach Zahlen ohne Geistesblitz oder Langzeitwirkung, doch agieren die Vines schon hier weniger aufdringlich und subtiler, als zuletzt in der Kategorie der erzwungenen Singlekandidaten. Auch das schmissig-smarte Leave Me Alone drängt mit seiner Stooges-Anleihe im Rhythmus alibihalber in den Windschatten von Ride und Co. und ist für sich genommen zwar ermüdend, weil Nicholls mit aufgedrehtem Strom einer Grundidee eben weiterhin zu selten zusätzliche Impulse verpassen kann und ein Motiv lieber enervierend zu Tode exerziert, als es zu überwältigenden Zielen hin zu entwickeln.
Doch passt das Duo im Kontext, weil sich Broken Heart dazwischen ideal einfügt: Eine feine Ballade am Lagerfeuer mit sanftem Psychedelikflair, die mit sehnsüchtiger Melancholie im Midtempo dahintreibt und sich sogar einem gen Classic Rock schielenden Jam hingibt. Dass dieser an sich im Nichts verpufft, kann man wohl oder übel tolerieren – Nicholls weiß eben weiterhin nicht, wann seine Kompositionen zu lang oder zu kurz ausfallen. Immerhin lässt er den Faden diesmal mit Leave Me Alone aber eben zumindest ansatzlos übernehmen.
Womit schon im ersten Viertel der Platte ein symptomatisches Bild gezeichnet ist und das Wesen von In Miracle Land durchaus adäquat etabliert wurde. Das tranceartig oszillierende Willow gibt sich gemäßigt, verliert sich mit hypnotischen Schleier etwas dröge vor den Augen als Bindemittel, bevor die Platte zu ihrer nachhaltigsten Phase wächst. Emerald Ivy ist eine traurige Pianoballade, schön und gefällig, aber nicht spektakulär – man kann sich in die Atmosphäre hineinträumen und findet dort den gefühlvollen Übergang zu Sky Gazer, das geduldig an Fahrt aufnimmt, entspannt dem Horizont entgegenschrammelt und mit seinem ausbremsenden Tempowechsel, den Gesangsharmonien und Streicherambitionen genau jene üvberraschenden Elemente parat hält, die vielen Songs von Nicholls ansonsten fehlen.
Noch stärker ist da nur das romatische Annie Jane, das als nostalgische Anmut von einer akustischen Ballade zum Bezauberndsten gehört, was der Band seit gut einem Jahrzehnt gelungen ist. Daneben fällt der Rest zwangsläufig ab, doch spielen Nicholls und Co. In Miracle Land ungefährdet nach Hause. Es gibt Bagatellen, die nicht stören (Waitin) und fett surfende 0815-Rocker (Slide Away), simpel gehaltene, obligatorische Durchsichtigkeiten zum Dampfablassen (I Wanna Go Down) oder munter angetriebene Geschwindigkeitswechsler (die 2016er-Single als Titeltrack).
Dazu mit Gone Wonder ein versöhnlich entlassendes – aber hinten raus ohne den letzten Kniff wieder etwas frustrierend nicht sein volles Potential abschöpfendes – Finale, das sich durchaus erlauben kann, mit dezenter Wucht die dramatische Geste zu zelebrieren: Wo In Miracle Land all jenen, die den Vines schon länger den Rücken gekehrt haben, durchaus nachvollziehbar nur ein weiteres Gähnen entlocken sollte, dürfen hartnäckige Anhänger der Zukunft der Band spätestens nach diesen angenehm-harmonisch zu konsumierenden, sommerlich-unverbindlichen 34 Minuten rundum optimistischer entgegenblicken, als noch vor einigen Jahren.
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