Devon Welsh – True Love

Devon Welsh rudert nach dem orchestral-analogen Befreiungschlag von Dreams Songs wieder zurück zu seiner True Love. Das ist alleine auf nostalgischer Ebene verlockend – aber vor allem schade. Denn die Magie der Majical Cloudz ist ohne Matthew Otto als kreativen reibungspunkt offenbar unereichbar.
Vielleicht wird Welsh dies am Ende seines nominell zweiten Soloalbums nach Dream Songs und der Songsammlung Down the Mountain auch selbst noch bewusst, weswegen er versucht, aus der auch an alten Großtaten scheiternden Komfortzone auszubrechen.
Das auf eine Akustikgitarre reduzierte Grace hätte zwar auch auf den Vorgänger gepasst, ist aber intentional sogar noch näher beim Appalachen Folk der Fleet Foxes – nur sind viereinhalb Minuten Geklampfe eben weiterhin (zu) viel Zeit für Welsh, um eine relativ impulsfrei plätschernde Fläche aktiv zu vermessen. Was man so aber eigentlich bereits durch Chances wissen konnte.
(Auf eine natürlich weiche Art) Radikaler ist der Umbruch (und auch die Aussicht auf Evolution) im abschließenden Dreamers, das mit einer fast tanzbaren Lockerheit daherkommen will, Welsh nonchalant rezitierend auch als Sänger ein Stück weit neu erfindet. Ohne die existentialistische Last der Welt auf den Schultern hat er im popkulturellen Kozelek-Modus auch tatsächlich einen ungekannten leichtgängigen Drive. Doch seine Stimme bleibt in diesem Umfeld seltsam dünn und ohne emotionalen Nachhall in einem catchy Ohrwurm, der jedoch durch das ständig repetierte, seltsam müde und lethargisch klingende „Yeah!“ ein noch höheres Nervpotential besitzt, als die deliriant wiederholte, titelspendende „System“ im Song direkt davor.
Dass True Love auf einer untypischenNote mit den beiden bisher schwächsten Welsh-Kompositionen beendet wird, kann dann allerdings auch nicht den zuvor transportierten Eindruck revidieren, der entlang einer weitestgehend risikolosen Rückkehr des Kanadiers zu seiner wohl prominentesten Wirkungsstätte entstanden ist: Die minimalistisch aus dem Synth geborenen Ambientpop-Songs bekommt Welsh im Alleingang ohne Otto zwar meistens rundum solide hin – aber eben ohne den heimlich überwältigenden Touch, für den offenbar tatsächlich erst sein ehemaliger Kompagnon auf die letzten Millimeter sorgen konnte.
In alten Hohheitsgebieten verläuft sich True Love – ungeachtet der im späteren Verlauf noch toll aufzeigenden Vorabsingle Faces – nach und nach jedoch immer wieder, vertändelt sich in enervierenden Standards. Alongside zeigt etwa, dass die Inszenierung von Welsh, wenn die zugrunde liegenden Melodien und Texte nicht packen, das Material schnell zu gleichförmig werden kann, die Songs sich zu ziehen beginnen und in der mäandernden Komfortzone kaum Eindruck hinterlassen. Der Titelsong dreht in weiterer Folge den Kontrast für den Refrain an sich zwar hoch, wird aber zur gefälligen Nabelschau, wo der Schönklang von Songbird seinem melancholische Wohlfühlbereich labt, dabei aber wie eine verschwommene Erinnerung an A Moon Shaped Pool anmutet. Selbst ernüchternde Welsh-Basics sind eben immer noch gelungene Stücke Unverwechselbarkeit.
Obwohl True Love keine Momente der bedingunslosen Gänsehaut erzeugt, kann die Platte gerade in der Anfangsphase auch duchaus Potential umsetzen. Uniform ist etwa patentiert wundervoller, minimalistischer Signature Sound-Pop der Marke Welsh, getragen und beinahe nur auf Stimme, Keyboardpiano und eine unsagbar melancholische Atmosphäre bauend, in der der 31 Jährige seine vor Sehnsucht schmelzenden Melodien ausbreitet – bevor der Opener mit ätherischen Arrangements erhebend aufmacht, währen die Texte eindrucksstarke Bilder zeichnen und unmittelbar auf emotionaler Ebene abholen.
It’s a Game ist eine weiche Zärtlichkeit von einem Lovesong und Somebody Loves You als sedative Downtempo-Dallade, die sich mit abgedämpfter Percussion, Retro-Synthies und dem gurgelnden Bass sowie latentem 80er-Flair heimlich, still und leise ohne Klischee ins Herzen schleicht.
True Love ist also nicht nur der Versuch, die vermeintliche Banalität einer Liebeserklärung in zahlreichen Schattierungen zu untersuchen, sondern in vielerlei Hinsicht vor allem eine Reise in die Vergangenheit geworden, wie Welsh erklärt: „Some number of the songs are the product of going into old sessions that I had on my hard drive and finding things that I had started in maybe 2015 or 2016. I like doing that because I think anyone who is creative would agree that it’s always easier to start from something rather than start from nothing. I’d find there would be a little loop or something saved, and I would start to build around that.“ Womit er den Kern des Problems auch bereits selbst unwissentlich skizziert: Vielleicht macht es sich True Love über weite Strecken ein bisschen zu einfach – nur um auf der anderen Seite des Spektrums die Frage aufzuwerfen, ob die Aufbruchstimmung am Ende der Platte überhaupt in eine Zukunft führen kann, die man in dieser Form erleben möchte.
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