DIIV – Frog In Boiling Water
Shoegaze, vom harten Leben weichgekocht: Hinter der Metapher Frog in Boiling Water haben DIIV dem fünf Jahre alten Vorgänger Deceiver ein kontemplativer mit sich selbst im Reinen seiendes Geschwisterchen geschenkt.
„We understand the metaphor to be one about a slow, sick, and overwhelmingly banal collapse of society under end-stage capitalism, the brutal realities we’ve maybe come to accept as normal. That’s the boiling water and we are the frogs. It’s more or less a collection of snapshots from various angles of our modern condition which we think highlights what this collapse looks like and, more particularly, what it feels like“ geben DIIV über ihr viertes Studioalbum zu Protokoll, dass gleichzeitig auch die Ankunft der Band von Zachary Cole Smith in einer relativen Demokratie markiert, weswegen interne Reibereien mit Andrew Bailey, Colin Caulfield, Ben Newman als notwendige Geburtsschmerzen genutzt wurden.
Von derartigen Spannungen ist während der aufgefahrenen 43 Minuten nun eher wenig zu erkennen. DIIV klingen unter der Ägide von Produzent Chris Coady viel eher so rund und ganzheitlich wie nie zuvor, markieren eine kontemplativere Fortsetzung der 2019er-Platte weitestgehend im Midtempo, fast heimelig und weniger düster, auf Risiken oder direkte Schmissigkeiten wie zuletzt etwa Blankenship oder davor Doused praktisch vollends verzichtend.
Die Energie des Quartetts arbeitet besänftigt nach innen, anstatt extrovertiert herauszubrechen, erzeugt einen tollen Fluß mit ziemlich konstantem Niveau, was vom vollen Sound zusätzlich verdichtet wird.
Dass so wenig aus der Perspektive fällt, mag stimmen – dass die ausgeworfenen Amplituden ohne Extreme flach und gleichförmig ausgefallen sind, jedoch nur zum Teil: spätestens, wenn die Dynamiken über das fabelhafte finale Drittel der Platte (mit dem knackiger und energischer angelegten Somber the Drums vor dem verträumt bezaubernden Little Birds, dem seinen Kontrast aus Hart und Zart weich erhöhenden Soul-Net sowie der imaginativen Geduld Fender on the Freeway in erhabener Jeniferever-Schönheit) im fein arrangierten Wellengang pendeln, hat diese angenehme Souveränität etwas geradezu heimelig selbstverständliches, absolut befriedigendes.
Auch davor gönnte sich Frog in Boiling Water jedoch klare Highlights in der homogenen Gelassenheit. In Amber lässt sich etwa melancholisch treiben, genehmigt sich rauhe Kanten als Schraffuren mit dezentem Heulen und sphärischem Dröhnen höchstens auf subversive Weise im ätherischen Wesen, derweil Everyone Out besonders reduziert seine Intimität zeigt.
Vor allem aber ist da die superbe Vorabsingle Brown Paper Bag als einer der schönsten Bandsongs überhaupt, so sehnsüchtig ruhig und ätherisch, samt einem schamlos My Bloody Valentine zitierendem Abgang (wo auch Reflected diesen überdeutlichen Einfluss in dem Texturen weiter heraus kehrt, aber mitnehmen unterwältigenden Klimax anbietet, nachdem auch die harmonische Sehnsucht des Titelstücks eher einem guten Standard entspricht). Das unaufgeregte Raining on Your Pillow schmiegt sich elegisch lauernd in die Melange aus Grunge und Indie Rock im eklektischen Shoegaze, grundiert unterschwellige Nuancen mit unruhigen Effekte und wählt symptomatisch keinen Exzess: Frog in Boiling Water ist im Grunde unspektakulär und wohl nicht das Album, das man Leuten als erstes vorspielen wird, um sie zu DIIV zu bekehren. Oder von den vielfältigen stilistischen Perspektiven des Genres zu überzeugen. Aber es ist vielleicht eines, das gerade als Ganzes letztendlich öfter seinen Weg auf den Plattenteller finden wird, als seine drei Vorgänger.
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