Preoccupations – Preoccupations

Am Abgrund stehend nutzen die Mitglieder von Viet Cong die Umbenennung zu Preoccupations (und damit zur politischen Korrektheit) für einen beeindruckenden Neustart: Nie klang der „labyrinthine post-punk“ der Kanadier besser, als auf ihrem zweiten Debütalbum.
Rückblickend weiß man: Dass Viet Cong ihren selbstbetitelten Erstling mit dem programmatisch betitelten, exzessiven Death verabschieden, hat sich als sich selbst erfüllende Prophezeiung erwiesen. Zahlreiche Beschwerden über den mancherorts als beleidigend oder gar rassistisch aufgefassten Bandnamen führten zwangsläufig zu einem Neuanfang für das Quartett aus Calgary, das diesen letztendlich nur konsequent inszeniert: Unter dem neuen Banner wird die Wiedergeburt mit stilistischen Positionsverschiebungen geprobt. Die dystopisch im Zwielicht der 80er herangewachsenen Synthies unterwandern das Songwriting prägender, die schneidenden Gitarren funkeln dahinter in bittersüß-düsterem Glanz, während der schabende Bass mit trockener Punktualität vor dem mechanisch abgedämpften Schlagzeug mit seiner maschinellen Präzision groovt, und sich die Stimme von Matt Flegel nun von all den bisher aufgeschichteten Halllagen frei kämpft, unzählige Grade an Gegerbtheit mehr auf dem Buckel zu haben scheint. Die gepeinigte Entstehungsgeschichte der Platte hat ihre Spuren in den düsteren 40 Minuten Musik hinterlassen, ohne den letzten Funken Optimismus auszuradieren.
Das Preoccupations den Großteil ihrer Kreativität nicht in die herbeizitierte Umbenennung gesteckt haben, ist unmittelbar selbstverständlich: Das mächtige Anxiety kracht mit der dissonanten Wucht des depressiven Postpunk einher, stampft unerbittlich und beschwört die Dämonen von Ian Curtis bis Protomartyr. Die Synthies dröhnen beklemmend und glitzern im Restlicht mit trügerisch bleibender Eleganz. Sexy und verrucht klingt das, wenn Flegel da mit dunklen Timbre und sonor beschwörender Stimme singt, den industriellen Gothic-Schick beschwört, der den Editors nach In this Light and on this Evening zu schwer auf der ähnlich depressiven, aber pathetischer artikulierten Seele lastete. „With a sense of urgency and unease/ Second-guessing just about everything/ Recollections of a nightmare/So cryptic and incomprehensible/…/It’s a blunt humiliation/Not at risk of being overconfident„.
Monotony folgt diesem Weg etwas weicher – als würde Interpol-Boss Paul Banks The Smith oder The Cure mit den sehnsüchtigen Mitteln von Type O Negative covern, ist aber im Grunde primär der Wegbereiter für den unmittelbar hinübergleitenden Neontraum von Zodiac: Dort ziehen Preoccupations beinahe leichtfüßig und energisch nach vorne, machen dicht gestaffelt Druck, fokussieren ihr strukturiertes, episodenhaftes Songwriting mit Industrial-artiger Ästhethik und assimilieren den schmissigen Indierock mit nihilistischer Geste.
Mehr noch als für Viet Cong haben Preoccupations einen zutiefst assoziativen Sound gefunden, der der Band in atmosphärischer Sogwirkung einen ganz eigenen Charakter verleiht: Produzent Graham Walsh hat der Platte eine unterkühlte Stimmung auf den Leib geschneidert, die dennoch eine paradoxe organische Wärme ausstrahlt. Die Grenzen zwischen Nahbarkeit und Distanzgefühl verschwimmen da zwangsläufig, der Sound von Preoccopations alleine ist eine hypnotische Meisterleistung, die sich wie eine eindringliche Saugglocke über die ansonsten oftmalige Sterilität des Genres legt.
Wo Preoccupations nach dem Evolutionsprozess so nicht nur einiges anderes machen als Viet Cong, sondern das meiste schlichtweg deutlich besser, scheitert jedoch auch das neuerliche Debüt letztendlich ein klein wenig an sich selbst. Zwar münzt es all die Unsicherheiten und Ziellosigkeiten rund um seine Produktion in mehr Stringenz um, als es das relativ konfliktfrei entstandene Viet Cong tat, dennoch bleibt immer noch ein wenig Luft zwischen all den Ideen und Szenen offen.
Wo bis hin zum überragenden 12 Minuten-Patchwork Monolithen Memory (ein stoisch lauernder Weihegesang mit vertrackt stacksenden Rhythmus und gespenstischen Chören macht plötzlich auf, als würde Dan Boeckner Merchandise mit geschlossenen Augen auf eine Tanzfläche führen, die vor melancholischer Strahlkraft funkelt, bevor das von Scott Munro intonierte Szenario unmittelbar in einen Ambient- und Drone-Wellengang eintaucht, der das Herz und Highlight der Platte sanft zerfließend ausklingen lässt) und dem schmissige Degraded (in dem Preoccupations langsam aus dem ätherischen Klangsphären Anlauf nehmen um plötzlich einen zackig anziehenden Postpunker mit peitschend-stampftender Energie hochzuziehen) praktisch jeder Songs nahtlosen in den nächsten weiterleitet, und Preoccopations auch darüber hinaus vor allem als geschlossenen Album funktioniert, kippt das Werk ab diesem Moment für eine kurze Phase in ein unkonzentriertes Mäandern, das Potential geradezu ärgerlich verschenkt: Das anmutige Sense pumpt 62 ätherische Sekunden lang durch ein tranceartiges Meer, bleibt aber wie das nur minimal längere Forbidden eher eine unausformuliert Ideenskizze, die nicht die Homogenität oder Attitüde von Preoccupations aufbricht, aber der restlichen Kohärenz ein wenig an Unbedingtheit, Zielsicherheit und Konzentration nimmt. Was als zurückgenommenes Durchatmen auf einer ansonsten weitestgehend direkt agierenden Platte gedacht scheint, entzieht ihr in dieser so vor allem an griffigen Zug.
Gerade auch, weil das scharfkantige Stimulation trotz seines ausfransenden Schlussparts danach als zwingender Ohrwurm durchgeht und das abschließende Fever mit seinen retroaffinen Synthies
mit versöhnlicher Schlagseite gemächlich an der somnambulen Hymne vorbeischippert und Preoccupations beinahe unverbindlich ausklingen lässt. Es ist eben auch eine flüchtige Intensität, die die Faszination dieser sich endgültig selbst gefunden habenden Kombo in all ihrer Präsenz ausmacht.
„We are consistent in our flaws/Predictably, we have no goals/Incapable of abstract thoughts/…/Some good ideas split in two/So solemn and melancholy/…/We’re absolutely obsolete/ Intolerant and overheating/Leaving our footprints in the concrete/There’s nothing left here to compete for„. Vielleicht reflektiert sich das Quartett in seinen Widersprüchen eben doch selbst am besten. Nachdem die leidige Namesdiskussion endlich abgeschlossen scheint, und der Scherbenhaufen Viet Cong unter neuem Banner fesselnder denn je funktioniert, und sich Preoccupations insofern doch wieder selbst Lügen strafen: „Wondering how long it might take to leave you/I can’t improve, I can’t improve, I can’t improve„. Egal unter welchem Banner diese Band nun agiert – sie wird immer besser.
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