Ryley Walker – Golden Sings That Have Been Sung

Nach dem in die Fußstapfen großer Meister tretenden Kraftakt Primrose Green gönnt sich Ryley Walker zwar keine Pause, lässt die Dinge auf Golden Sings That Have Been Sung allerdings deutlich entspannter angehen. Das Drittwerk des früh formvollendeten 27 Jährigen ist sich seiner zeitlosen Klasse schließlich bewusst.
Alleine mit wieviel mehr Understatement Walkers Gesang mittlerweile ausgestattet ist – weich und weniger gallig gnödelnd treibt der Ausnahme-Anachronist regelrecht relaxt durch die 8 vorbeifliegenden Songs – darf als symptomatisch für ein Album gelten, dass seine Virtuosität mit fast schon beiläufiger Nonchalance behandelt und seinen einnehmenden Charme mit einer unverfänglichen Nebensächlichkeit entfaltet. Golden Sings That Have Been Sung arbeitet eben nicht so hartnäckig (und bisweilen auch kunstvoll prätentiös) daran sich selbst in eine Linie mit Van Morrison, Nick Drake und Co. zu hieven, erträumt sich allerdings gerade durch diese Mühelosigkeit inmitten seines natürlichen Fluss in ähnliche Sphären, erweitert die bereits vorhandene Farbpalette aber zusätzlich: Im wunderbar gedankenverloren schlendernden Slackerausflug The Roundabout übersetzt Walker etwa den Gestus von Kurt Vile in den Kontext von Tim Buckley, die weihevoll plätschernde Ästhetik der Age Old Tale erinnert an die Offenheit von Mark Hollis und dessen späte Talk Talk-Meistwerke (obgleich Walker zumindest ansatzweise ähnlich konturlos agiert, nutzt der Zaubergitarrist aus Illinois freilich deutlich kräftiger gestricheneStrukturen, um seine vielschichtig nuancierten Klangtexturen auszumalen).
Walker passiert so eine leichtgängige Wolkenlandschaft aus anschmiegsamen Harmonien, märchenhaften Arrangements und zwanglos ausgeschüttelten Melodien. Golden Sings That Have Been Sung wandelt sich kaleidoskopartig in seiner behutsamen Schönheit, scheint immer ein wenig in Zeitlupe zu schreiten und geht dabei runter wie Öl -schließlich ist das Drittwerk in gewisser Weise auch schlichtweg zugänglicher und mehr Pop als seine Vorgänger.
Wenn Primrose Green also Musik für einen ambitionierten frühlinghaften Vormittag war, dann ist Golden Sings That Have Been Sung der geschmeidige Soundtrack für leger ausklingende Abendstunden in den wärmenden Resten der Sommersonne. Komplex, aber nicht unbedingt fordernd. Tiefschürfend, aber nicht anstrengend. Eine Platte voller archetypischer Themen und Motive, die mit sich selbst im Reinen ist. Voller Wohlkang steckt und ihr detailreiches Songwriting in ungebundendene Spontanität gegossen hat – die ätherische Handschrift von Wilco-Multiinstrumentalist LeRoy Bach am Produzentenstuhl macht sich insofern allgegenwärtig bezahlt.
Spätestens das überragend eröffnende The Halfwit In Me adelt Walker so auch endgültig als Koryphäe seines Faches: Wie die Nummer dem Bandleader so leicht von der Hand zu geht, seine technische Makellosigkeit nicht in die Ausslage stellt, sondern eine transzententale Unbeschwertheit, die den Opener unmittelbar wie einen alten Klassiker scheinen lässt. Funny Thing She Said döst dagegen melancholisch durch eine verrauchte Jazzbar: Das Piano ringt schwer mit dem restlichen Instrumentarium, während das Besenschlagzeug behände um die bluesige Gitarre treibt, bevor Walker das Szenario durchlüftet und eine schüchtern glimmernde Violine findet. Der beinahe irritierend unaufgeregte Americana von Sullen Mind geht dann gar implizit beruhigend mit all der Dramatik um, die im Herzen der Nummer pocht.
Neben solchen Großtaten ist ein wenig Müßiggang wie in The Great And Undecided durchaus notwendig – kürzere Ausflüge wie das auf seinen rollenden Rhythmus und warme Orgelklänge sorgsam, neugierig und verspielt treibende A Choir Apart oder die friedliche gezupfte Lagerfeuernummer I Will Ask You Twice sowieso, in der die unendliche Romantik von Golden Sings That Have Been Sung vielleicht am kurzweiligsten destilliert wird. Dass der Reigen nach 41 Minuten deswegen auch nicht derart übermannend entlässt wie aus Primrose Green, erscheint ohnedies mit jedem Durchgang entgegenkommender: Mit dem feinjustierenden Golden Sings That Have Been Sung gelingt dem umtriebigen jungen Meister Walker eine beeindruckende Standpunktverortung – und wohl auch das sammelnde Durchatmen vor dem nächsten Kraftakt.
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