The Antlers – Green to Gold

von am 2. April 2021 in Album

The Antlers – Green to Gold

Die überraschend auftauchenden Songs Wheels Roll Home oder It Is What It Is führten letztendlich nicht nur zu einem Comeback-Album, sondern auch zu einer erstaunlich versöhnlichen Erkenntnis: The Antlers haben mittels Green to Gold ihren Frieden mit der Traurigkeit geschlossen.

Die vorausgeschickten Singles des sechsten The Antlers-Langspielers, des ersten seit Familiars von 2014 und dem nachfolgenden Ausstieg von Darby Cicci, waren in ihrem Charakter durchaus prophetisch für das Wesen des nachreisenden großen Ganzen: Green to Gold klingt, als wäre das Überleben der zum Duo geschrumpften Band für Peter Silberman und Michael Lerner selbst keine große Sache; nichts, wofür man ein Spektakel provozieren müsste, um überstandene Mühen jenseits der feinen Klinge zu artikulieren: Die nun in sich geschlossenen 48 Minuten leben von und für eine hoffnungsvolle Wärme, eine optimistisch Unscheinbarkeit, ein schüchternes Understatement.
Was auch wirklich bedeutet: Dieser bittersüße Indie Folk, aus dem verträumten Slowcore geboren und so unendlich zartgliedrig kammermusikalisch-introvertiert zum Americana angehaucht, will niemandem etwas beweisen, fühlt sich im gefälligen Komfort wohl und ist soweit mit sich selbst Reinen, dass die Antlers im Gegensatz zu Hospice (2009), Burst Apart (2011) und Familiars ihre genialen Momente, Ideen und Melodien nicht zu überwältigenden Szenen zuspitzen, sondern sie wie flüchtige Schatten balsamieren, ohne abgründige Dunkelheit vergänglich bleiben lassen.

Dass Green to Gold so wie weniger gravierender, auch glatterer Nachhall zu seinen vorsichtige Reibungspunkte bietenden Vorgängern wirken kann, dem die ergreifende Intensität (und ja, auch Magie) fehlen kann, passt da zum Rahmen der ebenso zwanglos aufblendenden, wie unverbindlich verglimmernd entlassende Klammer aus den beiden Instrumentalstücken Strawflower (ein die Atmosphäre mit anschmiegsamen Gitarren und behände tröpfelndem Klavier elegant auftauender Reigen, tröstend in seinen behaglichen Harmonien schwelgend) und Equinox (ein versöhnlicher Piano- und Percussion-Epilog aus dem Lehrbuch von Talk Talk).
Ohne dazwischen (irgendwo in einem sedativen Paralleluniversum, in dem Swan Lake von Burst Apart halluzinieren oder Silbermans Solowerk sich deutlicher dem Song verpflichtet) restlos in jene Sphären aufsteigt, in denen The Antlers ihren Zauber also im Idealfall beschworen, zeigt das Quasi-Comebackwerk generell eine eigenwillige Ambivalenz: Ohne per se zu wachsen, ist Green to Gold ein Grower; kein weiteres Meisterwerk, aber auch keine frustrierende Enttäuschung. Eine Platte, die sich sofort wie ein alter Vertrauter anfühlt, die mit ihrer Verlässlichkeit jeden Mangel an Spannung aufwiegt; nichts falsch macht, aber nicht so viel perfekt, wie ihre Vorgänger. Ein Album, das den Hörer nicht im Sturm gewinnt, nicht im Sturm gewinnen will, an das man als Brise aber sein Herz immer mehr verschenkt, ohne es tatsächlich zu merken – obwohl man der Atmosphäre und Ästhetik doch ohnedies mit genau mit dieser Absicht begegnet. Man verzehrt sich nicht, den Songs um jeden Preis wiederzubegegnen, registriert allerdings unterbewusst irgendwann, wie sehr der Konsum und der Genuss dieser Musik nebenbei so sehr erfüllt, wie eine zwischen den Fingern zerrinnende Fantasie betört.

Ohne also in einen euphorischen Rausch zu verfallen, reihen sich die wundervollen Augenblicke hier nahtlos aneinander – niemals restlos greifbar scheinen die erlösenden Höhepunkte erst immer wenige Herzschläge in der Zukunft zu liegen, nur um vor ihrem Erreichen letztendlich bereits wieder als vage Erinnerung zurückliegend zu scheinen.
Wheels Roll Home agiert ohne ausführlichere Formen im Kontext nun ergiebiger, wie eine einladende Begrüßung. Solstice schippert mit umarmender Aura, plätschert ohne Höhepunkt dahin, weswegen die Nummer auch unbefriedigend in ihrer Schönheit klingen kann – würde es hier ein Ziel geben, wäre es der Weg selbst. Das gilt ebenso für Stubborn Man, das die Anmut aber ein bisschen orchestraler angeregt schattiert; jedoch eine körperlose Fantasie bleibt: Der eigentlich zum Niederknien geratene, nonchalant eingestreute Refrain bleibt unendlich bescheiden, passiert wie zufällig, tritt in den Orbit der Nummer ein und verlässt ihn wieder, ohne seine Leidenschaft fassbar zu machen.
Just One Sec ist ein schwofender Tanz durch einen Ballsaal im Kerzenlicht, mit zurückhaltenden Bläsern, unendlich smooth gleitend so geschmeidige Bewegungen vollführend, dass das Auge sie kaum wahrnehmen will. Das lange ambiente Outro sorgt zudem stellvertretend als eines von vielen Bindegliedern dafür, dass der ganzheitliche Aspekt von Green to Gold betont wird, grazile Übergänge allen nötigen Raum bekommen. Volunteer tröpfelt melancholisch, verletzlich und fragil, hat keine Bedenken sich auch mäandernd zu suhlen, und verglüht stattdessen still und zurückhaltend. Der Titelsong entpuppt sich als ein heimlicher Ohrwurm von vielen, der mit seinem betont samtenen Groove zu einem tröstend texturierten Leisetreter von einem eingängigen Refrain führt, der wie eine Fata Morgana in einer Oase schimmert. In Porchlight ergänzen sich ein vorsichtiges Besen-Schlagzeug und noch vorsichtiger angeschlagene Gitarren, drehen sich dann mit einem so liebenswürdig naiven, aber keinesfalls unbeschwert lächelnden Anachronismus auf der Veranda zum klimpernden Saloon-Piano. „Keep me from vanishing at any cost/ Flip on the porchlight if you sense I’m lost/ And we’ll find a way back together“ singt Silberman und plörtlich scheint einen diese vorsichtige Mildtätigkeit emotional doch wieder unnachahmlich zu übermannen.

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