Converge – I Can Tell You About Pain

von am 29. Juli 2017 in EP

Converge – I Can Tell You About Pain

Länger musste man bei Converge noch nicht auf die Veröffentlichung von neuem Studiomaterial warten, als die fünf Jahre, die zwischen All We Love We Leave Behind (2012) und I Can Tell You About Pain vergangen sind.

Zeit, die einerseits ohnedies verflogen zu sein scheint, weil man sie sich seitens des allgegenwärtigen Quartetts aus Massachusetts höchst produktiv (unter anderem mit Jane Live, manigfaltigen Produktionstätigkeiten oder anderen Bandprojekten wie Mutoid Man und Wear Your Wounds) vertrieben hat – und die nun andererseits durch das plötzliche Auftauchen von Can Tell You About Pain gefühltermaßen gleich ansatzlos pulverisiert werden.
Schließlich explodiert der Titelsong unmittelbar auf Betriebstemperatur, Converge speien ihre Katharsis ohne Anlauf in bekannten Gefilden aus. Aggressiv polternd kraxeln die jazzig-krakenhaften Koller-Drums hämmernd nach vorne, Ballous‚ Hardcore-Riffs peitschen um den schmutzig treibenden Bass und Bannons poetisches Gekeife („Sick matriarch/ We are worlds apart/ Your dysfunction rips/The roots from my heart/ I swear that I’m trying, but/ You don’t know what my pain feels like„), bis sich die Hatz hinten raus in einen dissonanten Breakdown-Angriff konzentriert.

Das ergibt ein tollwütiges Biest von einer klassischen Converge-Wutbombe, unerbittlich und manisch. Klar, die Band betritt hier weniger Neuland, als dass sie die verschiedenen Phasen um You Fail Me als Amalgam destilliert. Allerdings macht es sich die Band keineswegs mit einem zu routinierten Comeback by the numbers zu leicht, viel eher markiert sie hier 144 Sekunden lang absolut überzeugend ihr angestammtes Hohheitsgebiet. I Can Tell You About Pain reißt also ohne Abnutzungserscheinungen mit, überzeugt alleine schon durch seine frische und hetzende Aufbereitung. Der Song agiert kompakt und vor Energie berstend, lebt von seiner wunderbar garstigen Ballou-Produktion und bohrt seine Finger herrlich schmutzig in nach wie vor offene Wunden. Primär werden hier Trademarks schnell, roh und kompromisslos umgesetzt und servieren eine Qualitätsarbeit, wie nur Converge sie liefern können.

Freilich: In Relation zu dem, was folgen soll, übernimmt I Can Tell You About Pain auf dieser (ungeachtet der Spielzeit von der Band selbst als solche klassifizierten) EP dennoch „nur“ den Part der souverän nach Hause gespielten Pflichterfüllung – die überragende Kür erledigt klar das furiose Muskelspiel Eve.
Knapp acht Minuten entwickeln Converge hier aus einem sphärischen, postrockig angehauchten Ambient-Beginn heraus ein intensives Monstrum von einer geduldig aufgebauten Hardcore/Doom-Ballade, die über entrückt-rezitierten, mehrstimmigen Chant-Gesang, finstere Gitarren und tribalartig lauernden Drums einen hypnotisch meditativen Sog in den Post Metal vollzieht, merklich hin Richtung Neurosis schielt.
Aus dem unheimlich dicht treibenden, sogar irgendwo einfühlsam ausgebreiteten Atmosphäremeer platzt plötzlich der hysterische Bannon hervor, bevor alle Dämme brechen – Newton brüllt Eve mit infernaler Wucht zu einem zutiefst melodisch walzenden Refrain. Die Gitarren öffnen sich dazu mit apokalyptischer Schönheit, strahlen pechschwarz, erzeugen einen epischen Sog.

Das ist in gewisser Weise strukturell der Umkehrschluß des Titelsongs von All We Love We Leave Behind in die harmonischeren Gefilde von getrageneren Großtaten wie Wretched World, You Fail Me oder vor allem Coral Blue, ein erhebender und majestätischer Kraftakt mit Aufbruchstimmung: „I need to forget and to move on/ I need to feel loss to cherish love„.
Insofern liefern Converge hier nichts weniger als eine pure Machtdemonstration, die mit imposantem Gewicht vorführt, dass die Band nicht nur weiterhin mit triumphaler Sicherheit alte Stärken abrufen  kann, sondern auch nach all den Jahren noch immer wächst, sich in kreativer Hinsicht sogar generell in abermals neue Gefilde aufgemacht haben könnte.
Sofern Eve also auch nur ansatzweise als Indikator für das (hoffentlich alsbald kommende) neunte Studioalbum herhält, darf man sich jedenfalls mutmaßlich schon einmal mehr auf ein weiteres Meisterwerk der Band einstellen. Sollten die beiden Songs hier hingegen keinen Platz auf der regulären Platte finden (oder darauf ein On My Shield-artiges Bonus Track-Dasein fristen), gilt deswegen nur umso mehr: I Can Tell You About Pain ist (auch aufgrund des feinen Artworks) ein absoluter Pflichtkauf für Converge-Fans, der die Wartezeit nach den bereits überstandenen fünf Jahren nur umso härter macht.

Bison - You Are Not the Ocean You Are the Patient

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