Gorillaz – Humanz

von am 1. Mai 2017 in Album

Gorillaz – Humanz

Viel Prominenz, aber wenig Gorillaz-Flair: Damon Albarn produziert mit Humanz ein betont modernes Gästeschaulaufen samt homogener Sampler-Ausstrahlung, verzichtet dafür jedoch auf den klassischen Charakter seiner Cartoon-Band.

Dass ausgerechnet die arrivierte Brit-Ikone mit einigen der exorbitant allgegenwärtigen Features auf dem ersten GorillazAlbum seit knapp sieben Jahren vordergründig zusammengearbeitet hat, um seine Tochter zu beeindrucken, erweist sich als zwiespältige Ausgangslage, spielt aber dem veränderten Wesen von Humanz durchaus in die Karten: Immerhin war die Band von Albarn und Co-Kopf Jamie Hewlett seit jeher prädestiniert für die Einflussnahme von externen Kollegen, sowie der dazugehörigen Genre-Vermengung, während sich die Gorillaz eigentlich bereits über Plastic Beach und The Fall zudem immer weiter von ihren Ausgangsideen im eigenwilligen Pop entfernten.
Wenn man bei Deltron 3030 ansetzt, war Albarn jedoch vielleicht niemals näher an den Wurzeln seiner Projektplattform als 2017. Denn Humanz macht nach aus der Tendenz der beiden Vorgängerplatten nun endgültig Nägel mit Köpfen, klingt nach The Fall-geprägten elektrnischen Ipad-Sounds und eifert gängigen Produktionstrends (Marke: Drake und Konsorten) nach, anstatt der eigenen Rolle als Trendsetter gerecht werden zu wollen; positioniert Albarn am Bühnenrand und über weite Strecken klar im Hintergrund agierend, überlässt es damit dem geladenen Who is Who der amerikanischen Szenelandschaft, die am Abgrund tanzenden Songs zu der angekündigten „Party for the End of the World“ zu dirigieren.

Dies bedeutet trotz einer immer wieder angerissenen Verdrossenheit in den Texten musikalisch ein erstaunlich gut gelaunt feierndes Album mit Mixtape-Ausstrahlung, auf dem sich Albarn und (der hierfür wohl nicht umsonst erst lange Zeit überzeugt werden müssende) Hewlett von ihren Gästen so bereitwillig wie ausführlich in die Gefilde der Black Music führen lassen und weitestgehend eher selbst die Funktion von Features – oder zumindest Kuratoren – übernehmen. Humanz vermisst über die 20 Tracks der Standart-Version nämlch kurzweilig und durchaus temporeich die Spannweite von R&B-geschwängerten Dancepop über digitalisierten Soul bis hin zu charttauglichem Hip Hop in all seinen Variationen – und deckt damit über weite Strecken jene  Wirkungskreise ein, die bereits der ernüchternde, schwerfällige Vorbote Hallelujah Money in Aussicht stellte.
Benjamin Clementine schwadronierte da ja gefühlvoll über einen regelrecht skelettiert daherkommenden Song, der über spartanische Beats trotz choraler Arrangements einen seltsam demohaft-unfertigen Charme versprühte und Albarn rein als Strippenzieher zeigte. In gewissem Maße ein durchaus symptomatischer Herold für eine Platte, der ein externer Produzent wohl gut getan hätte. Denn obwohl sich Hallelujah Money die Erwartungshaltungen untertauchend zumindest über die Hintertür in den Gehörgängen einnistet, darf man sich von Humanz folgerichtig auch im restlichen Kontext keine herausragenden Pop-Sternstunden wie Melancholy Hill, Clint Eastwood oder Feel Good Inc. erwarten – die wirklich großen Melodien, Hits und Hooks, die vor allem das selnstbetitelte Debüt und Demons Days zu süchtig machenden Exkursen Albarns machten, sucht man in diesen 50 Minuten man schlichtweg vergeblich.

Stattdessen ist der veritable Grower Humanz ein mal mehr, mal weniger nachhaltiges, repetitiv produziertes Schaulaufen durch das Adressbuch des umtriebigen Briten geworden, das ein klassisches Gorillaz-Flair zwar selten bis nie aufkommen lässt, weswegen Humanz auch mehr als alles andere ein enttäuschendes Comeback darstellt. Nichtsdestotrotz funktioniert das fünfte Studioalbum der fiktiven Band im Windschatten der zeitgenössischen Austauschbarkeit der Popkultur als versiert seine Ziele bedienende Playlist durchaus: Niemals überragend und ohne tatsächlichen Ausfall, mal besser, mal schlechter.
Der (egal ob im EP-Format oder auf Albumlänge) stets so grandiose Vince Staples untermauert etwa seinen anhaltenden Höhenflug, indem er den infektiösen Clubsmasher Ascension vollends an sich und auf die Tanzfläche reißt, die Veteranen von De La Soul tun es ihm mit dem überdreht pumpenden Momentz gleich. Im eindringlichen Let Me Out zelebrieren Pusha T und die Gorillaz gefühlvolles Rap-Kino, primär dank einer wie immer wundervollen Mavis Staples. Das geschmeidig dahinlaufende Submission löst dagegen alle Versprechen ein, die mit Kelela und Danny Brown in den protzenden Credits gegeben werden – auch wenn der herrlich überdrehte Faust-aufs-Auge-Part von letzterem definitiv zu kurz gerät. Dass der Ausnahme-Rapper damit dennoch präsenter ist als Grace Jones in ihrer Rolle, fällt gar nicht so sehr ins Gewicht: Das starke Charger brüstet sich mit einem Feature der Ikone, setzt diesen aber kaum wahrnehmbar in Szene – fährt dafür allerdings einen hypnotischen Singsang von Albarn auf, in dem ausnahmsweise die alte Gorillaz-Verrücktheit blitzt.

Das ätherische Busted and Blue entlässt dagegen ambivalent: Als tatsächlich einziger Song ohne Feature könnte die melancholische Ballade auch eine solide Ausschussware von Everyday Robots (2014) darstellen. Eine Fingerübung, die zu gefallen weiß, sicher, aber auf Albarn alleine fokussiert seltsam ziellos bleibt – die Formel „More Gorillaz, Less Humanz“ stimmt insofern, wenn überhaupt, nur bedingt.
Doch auch so läuft eine entspannte Future-R&B-Übung wie Strobelite (mit Peven Everett) zu gefällig in den Autotune-Dancehall von Saturn Barz (mit Popcaan) über, wohingegen uninspirierter Dancepop der Marke Andromeda (featuring D.R.AM.) die immer wieder auftauchende Austauschbarkeit des Materials geradezu belanglos vorführt. Ein Sex Murder Party (featuring Jamie Principle und Zebra Katz) hat deswegen neben viel Leerlauf zumindest einen dankbar hängen bleibenden Refrain zu bieten, das optimistische We Got the Power (mit Savages-Lady Jehnny Beth) stellt in seiner irritierenden Position als Closer ein Paradebeispiel für die bisweilen willkürlich erscheinende Ordnung der (zu vielen) Songs.
Probleme mit der Trackliste und grundlegenden Identität sind aber ja Probleme, mit denen bereits das Blur-Comeback The Magic Whip (2015) zu kämpfen hatte. Es bleibt nach einer guten Platte wie Humanz, die gleichzeitig ein zermürbend schwaches Gorillaz-Album sein kann, also abzuwarten, was dies für die chronisch unterbewerteten The Good, The Bad and The Queen zu bedeuten hat, auf deren Rückkehr sich Albarn nun offenbar zu konzentrieren scheint.

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