Lagwagon – Railer

von am 13. Oktober 2019 in Album

Lagwagon – Railer

Die Pause zwischen ihren Alben werden wieder kürzer, die Qualität bleibt jedoch annähernd hoch: Lagwagon verlängern mit Railer den mit Hang (2014) ausgerufenen zweiten Frühling, machen ihrem Unmut über den Zustand der Welt aber näher an ihren 1992er-Wurzeln Luft.

Was für ein Jahr für die altgedienten Institutionen des Cali-Punk. Fat Mike hat als Cookie the Clown sehr ordentlich abgeliefert und Bad Religion sich mit Age of Unreason ohnedies gleich ein bisschen selbst geadelt, während Joey Cape über das okaye Let Me Know When You Give Up die Maschinen für das neunte Lagwagon-Album warmlaufen hat lassen – Railer ist nun dem Gesetz der 2019er-Serie folgend auch eines der besten in der knapp dreißigjährigen Karriere der Band.
Dabei kann man es durchaus schade finden, dass der vergleichsweise metallische Weg von Hang nicht weiter verfolgt wird, sondern sich Cape und Co. stilistisch ausnahmslos auf die Roots-Tugenden von Trashed oder Duh verlassen, wie die nicht überragende Vorabsingle Bubble (Fanurteil: „That is the Lagwagoniest Lagwagon song to ever have Lagwagoned.„) bereits ankündigte: „Die Idee dieses Songs war es, das, was du hast, zu umarmen und zu schätzen. Ich habe wirklich gezielt versucht, Bubble wie einen alten Lagwagon-Song klingen zu lassen, also habe ich mir dafür viel von frühen Platten geliehen. Und von da an dachte ich einfach immer wieder daran, dass die Regeln lauten müssen, dass „Railer“ sich anfühlt, als hätten es einfach die damaligen Lagwagon geschrieben. Ich wollte sehen, was passieren würde, wenn ich nicht zu viel nachdenke, und ich habe nur versucht, so schnell wie möglich eine Platte zu schreiben, ohne die Qualität zu verlieren, die ich von mir als Songwriter erwarte.

Wo Railer in seiner klassischen Retro-Schiene insofern kein per se mutiges Album sein mag, selten auch an der eigenen Messlatte scheitert, wiegt das aufgefahrene Material diese Entscheidung zur puren Nostalgie in Summe doch instinktiv auf: Es gibt keinen wirklichen Ausfall auf der Platte, Cape singt beseelt und vielseitig wie vielleicht nie zuvor, Lagwagon zelebrieren enormen Spielwitz und praktisch jede der 12 Nummern hier ist zumindest ein solider Ohrwurm, bestenfalls aber sogar ein die eigene Vergangenheit tatsächlich nicht scheuen müssenden Genre-Hit.
Egal ob die Gitarren gleich eingangs in Stealing Light hungrig die Hardrock-Licks gniedeln lassenund die Drums ordentlich Gas geben, Jini mit seinem Mitgröhl-Potential den vielleicht markantesten der vielen schmissigen Refrains auspackt, Dangerous Animal aggressiver nach vorne geht oder Parable eine Acoustic-Klammer (samt Gastgesang) bekommt: Railer gibt den zwingenden Hooks und Melodien die Klinke in die Hand, ist (nach einigen Durchgängen) über die erste Hälfte gar auf bestem Weg zum hauseigenen Klassiker.

Schade also, dass dieser energiegeladene Level nicht gänzlich gehalten werden kann, die Highlights danach zumindest minimal abnehmen und Lagwagon hier und da die Zügel lockern. Das bereits erwähnte, feierliche Bubble verliert sich beispielsweise ein wenig zu sehr im Rückspiegel – oder der facettenreichen, aber kaum fetten Produktion, die zwar treffend arbeitet, aber hier und da giftiger hätte ausfallen dürfen, gelegentlich eher dünn als roh klingt.
Warum das starke The Suffering ein am Piano eingeleitetes Interlude samt Spoken Word-Sample bekommt verwundert dann zumindest – es nimmt immerhin dem atemlosen Spielfluß einer ohnedies so dynamischen Platte ein bisschen das Momentum. Dark Matter vertändelt sich danach etwas weniger zwingend, Pray for Them liebäugelt mit dem Kitsch und das Journey-Cover Faithfully ist ein vergleichsweise unspektakulärer Closer, der eher die souveräne Klasse einer Band betont, die auf ihrer Wurzelsuche tatsächlich einen mitreißenden Drive für jugendliche Veteranen gefunden hat.
Wenn Hang also der Evolutionsprozess in eine weniger flotte Zukunft war, übernimmt Railer als direkte Reaktion eher die Funktion der Frischzellenkur. Und beschert dem Melo-Punk-Jahrgang damit wohl ein letztes Highlight aus der Ecke der gar nicht so alt klingenden Garden.

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