Sumac – Love In Shadow

von am 3. Oktober 2018 in Album

Sumac – Love In Shadow

Die Zusammenarbeit mit Keji Haino auf dem erst wenigen Monate alten American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous To Look At Face On hat definitiv Spuren hinterlassen: Sumac dröseln die Urgewalt ihres kaum noch griffigen Sludge/Doom/Post Metal-Gebräus für Love in Shadow als experimentelles Improvisationen-Monstrum auf.

Love has been well worn theme throughout a lot of rock music, but most commonly in terms of love-lost, overly romanticized versions of new love, or as a veil for sexual conquest. It is rarely addressed in its more spiritual and vulnerable aspects.“ erklärt Aaron Turner das Konzept der dritten Sumac-Platte, an der der ehemalige Isis-Boss und heute mit Mamiffer, Old Man Gloom oder Split Cranium enorm beschäftigte mit Schlagzeugbestie Nick Yacyshyn (Baptists, Erosion) und Brian Cook (Russian Circles) bereits gearbeitet hatte, als American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous To Look At Face On noch nicht in trockenen Tüchern war.
Incorporating a lot of free and open space within the borders of our songs has been an ongoing goal for us. While all of this material was written before our recording session with Haino, that experience further bolstered our confidence to travel further into territories free of preconceived structure and melody. Immediacy, intuition, and risk have become an increasingly important aspect of our music making.“ So in etwa klingt Love in Shadow dann auch – wie der Nachfolger und nächste Schritt zu The Deal (2016) und dem ohnedies bereits deutlich strukturoffeneren What One Becomes (2017), der aber eben von jener Band aufgenommen wurde, denen mittlerweile die letzten Reste an vorhandenen Scheuklappen von Haino abgenommen wurden.

Konkrete Riffs und konventionelle Schemen haben sich endgültig weitestgehend in spontan nachgegangenen Jam-Orgien aufgelöst, die sich alleine schon merklich in der Form von gerade einmal vier „Song„monolithen über die Distanz von 67 Minuten Gesamtspielzeit niederschlagen. Sumac erforschen ihre weitläufig-verworrenen Kompositionen bis in die finstersten Ecken der Abstraktion, indem sie das ursprüngliche Material nahezu vollends von der Leine lassen und über die Konturen ihres angestammten Sounds in eine Melange aus atonalem Noise, disharmonischen Chaos und sprunghaft konzentrierten Expeditionen streunen.
The Task beginnt ungewöhnlich unmittelbar, zupackend und rasant, legt also einen nicht unbedingt repräsentativen Fokus für die Platte vor. Immer wieder kippt das Trio über vertrackte Math-Sprengsel, Turner brüllt bestialisch die Lungenflügel ausbluten lassend über einen kompositorischen Fleischwolf, der die ersten dreieinhalb Minuten den getrieben Peitschenexkurs gibt, über ein Mastodon‘sches Solo das hämmernde Delirium einleitet. Nach knapp sechs Minuten ist der erste Part der Nummer zu Ende, Turner übernimmt der Song aus dem Nullpunkt heraus, Rückkoppelungen, Störgeräusche und Aufnahmefehler bleiben vorhanden, wenn er gedankenverloren in den Raum klampft. Sumac positionierten sich neu, drosseln das Tempo zur Walze, in Lauerstellung schleppend, röchelnd groovend. Ein dritter Part drangsaliert die Dinge später noch weiter in die Zeitlupe, lässt eine schrille Black Metal-Ästhetik im Funeral Doom zu, die minimalistisch auf eine präsente Rhythmussektion baut, die mit hypnotisch repetitiver Monotonie arbeitet, während die Gitarren sich im jazzigen Delirium bewegen, das die Suite mit einem flächigen Orgelteppich abschließt, über dem Turner in der Kanzel aus ungepflegten Raubeinigkeit in den Äther drückt.

Weniger deutlich erkennbare Nahtstellen zwischen den zusammengeschlossenen Passagen eines Songs (wie im später folgenden Arcing Silver, das als rumorend angerührter Noiserock so giftig und zähflüssig, so stoisch und finster irgendwann in den Feedback-Ambient abschweift, nur um hinten raus wie von der Tarantel gestochen zu kurbeln) hätten den organischen Fluss der Platte wohl noch deutlicher hofiert, nicht eine als Willkür ausgelegte Progressivität als Leitbild auslegt, obwohl Sumac die Fäden (gerade in Relation zu American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous To Look At Face On) ohnedies halbwegs nachvollziehbar zusammenhalten. Dennoch hat What One Become eine etwas bessere Balance hinbekommen, wenn es darum geht, sein skizziertes Improvisations-Wesen an auch songdienlich fesselnde Szenen oder im Kontrast melodisch entlohnende Ausgleichsmomente zu binden.
Nichtsdestotrotz agiert Love in Shadow nach dem Brocken seines Openers generell stringenter agiert. Dass Attis‘ Blade trotz seiner überbordenden Masse als Single herhalten darf, macht im Kontext sogar Sinn: Mit im Rost wetzenden Klingen geht die Nummer ordentlich nach vorne, schiebt und drückt, rumort wie eine faulige Schlammpackung auf dem Highway, die zum tollwütigen Exzess einschlägt, wo andere Bands ihre Soli zur Hymne schicken würden. Und Ecstasy of Unbecoming brüht sich eine gewisse Wohlfühlzone im klaustrophobisch bedrängenden Drone an, ist ein stimmungsvoller Albtraum von einem Klangmeer, das sich nach und nach martialisch aufzurichten beginnt, streng marschiert, benommen wankt, rekapituliert, sich als schleifender Suspence über das scharfkantig elektrifizierendere Gitarrenspiel von Turner auskotzt und plötzlich aus der Elegie heraus poltert.

Über gerade einmal fünf Tage von Kurt Ballou in den Robert Lang Studios in Shoreline, WA erschütternd mächtig aufgenommen, folgt die weiterhin unfassbar massive Kraft der Band nun also mehr denn je impressionistischen Instinkten – was neue Vor-, aber auch Nachteile mit sich bringt.
Love in Shadow bewegt sich organisch und intuitiv zwischen seinen Orientierungspunkten, zelebriert eine beinahe schon primitive, sicher aber absolut archaische, impulsive und rohe Leidenschaft, die sich nicht vom Intellekt lenken lassen will. Das macht das schwarze Genre-Loch namens Sumac in seiner schonungslosen Konsequenz noch unberechenbarer, konsequenter und fordernder – bedient (gerade bei flüchtigem Kontakt) aber eben auch nicht derart befriedigend wie die ersten beiden Alben, wenn sich das Trio immer wieder in zwanglosen Odysseen verliert, bewusst ziellos mäandern, Spannungsbögen gegen die Wand fährt um sie anderswo auf aus dem Nichts kommende Wendungen prallen zu lassen und damit nie gänzlich die emotionalen Entladungen der beiden Vorgängeralben zu schüren.
Doch gerade durch dieses Lockern der Zügel schärft das Trio allerdings wiederum sein dekonstruktivistisches Profil, erzeugt eine eigenwillige Gravitation in seiner ureigenen Atmosphäre, die ihre Grenzen nun noch ein Stück weiter nach draußen verschoben hat. Wohin man der Band selbst als wohlwollender Fan vielleicht nicht zu jedem Zeitpunkt der elaborierten Spielzeit folgen will – in Ermangelung einer ähnlichen Erfahrung wie dieser Radikalkur namens Sumac aber zwangsläufig muss.

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