Touché Amoré – 10 Years / 1000 Shows – Live at the Regent Theater

von am 3. November 2018 in Livealbum

Touché Amoré – 10 Years / 1000 Shows – Live at the Regent Theater

Man soll die Feste ja feiern, wie sie fallen – bei Touché Amoré tun dies das zehnjährige Bühnenjubiläum sowie die Show, die die Grenze zum vierstelligem Zähler durchbricht, geradezu perfekt aufeinander abgestimmt am selben Abend. Wer zu diesem besonderen Ereignis nicht anwesend sein konnte, der darf sich nun zumindest ein mehr oder minder makelloses Dokument des Konzerts am 16. Februar im Regent Theatre von Los Angeles ins Regal stellen.

Über Sinn und Unsinn einer Liveplatte lässt sich ja bekanntlich grundsätzlich nicht streiten. Im Fall des keine weiteren Fragen offen lassend betitelten 10 Years / 1000 Shows – Live at the Regent Theater darf das Conclusio allerdings relativ simpel herabgebrochen werden: Touché Amoré-Gigs gehören zwar per se zum besten und in ihrer fiebrigen Dynamik auch beispiellosesten, was die aktuelle Landschaft des melodischen Hardcore anzubieten hat – ein Abend vor der Bühne, auf der die fünf Kalifornier abgehen, lässt sich durch nichts ersetzen und macht die Angelegenheit einer Konzertplatte insofern explizit schwierig.
Allerdings funktioniert 10 Years / 1000 Shows – Live at the Regent Theater auch als Mitschnitt praktisch barrierefrei, ist zwingend und mit seiner unmittelbaren Power absolut ansteckend, energisch, packend mitreißend. Stimmt wehmütig, bei diesem speziellen Event nicht dabei gewesen zu sein können, aber macht gleichzeitig auch unfassbar heiß auf die nächsten Termine der Band in hiesigen Breitengraden.
Kurzum also schon vorab: Touché Amoré loten hier ziemlich am Maximum aus, was ein Livealbum qualitativ und emotional über eine zeitliche und räumliche Distanz zu leisten fähig ist; konservieren mehr oder minder Perfektion mit dem geringst möglichen Energieverlust beim Übersetzen.

Zu bekritteln gibt es nämlich im Grunde wenig. Eventuell, dass der Platte die unbedingt ikonischen Szenen fehlen, mit denen sich die relativ nahe an den Studioaufnahmen gespielten Live-Darbietungen (vielleicht nur ohne den dazugehörigen schwitzenden Pit rundherum) in letzter Konsequenz von den regulären Versionen abheben würden, das letzte Quäntchen Mehrwert erzwingend. Oder, dass den diversen Tonträgerformaten nicht auch gleich eine entsprechende Blu Ray/DVD beigelegt wurde, obgleich der Abend auch von zahlreichen Kameras begleitet wurde – dafür spendiert Epitaph aber ein Video zu jeder Nummer, was diesbezüglich letztendlich wenig Wünsche offen lässt.
Und bei der Songauswahl darf man den einen oder anderen Liebling trotz einer exorbitant ausführlichen Setlist vermissen: Non Fiction etwa. Oder Skyscraper, das es nur selten ohne Julien Baker zu hören gibt. Der noch junge Non-Album-Hit Green findet sich natürlich erst seit April 2018 im Repertoire der Band, man vermisst ihn dennoch schon jetzt. Aber auch das grandiose Gravity, Metaphorically von der Split mit Pianos Become the Teeth wird zugunsten konventionellerer Vertreter – also: knapp zweieinhalb Dutzend Klassiker – der vier Studioalben To the Beat of a Dead Horse (2009), Parting the Sea Between Brightness and Me (2011), Is Survived By (2013) sowie Stage Four (2016) ebenso ausgespart, weil „Obskures“ – wie Songs von den Zusammentreffen mit Make Do and Mend, The Casket Lottery oder Title Fight, sowie etwaige Cover-Verneigungen vor anderen Bands – ausgespart werden.

Was aber natürlich bei dem keine Ausfälle bietenden Katalog von Touché Amoré grundsätzlich ein schieres Luxusproblem ist. Zu absurd, um darüber auf hohem Niveau zu jammern – spätestens dann, wenn für die Zugabe Self Defense Family sowie La Dispute auf die Bühne klettern, um  (im Falle von Low Beams und Circa 95 erstmals überhaupt – soviel zum Thema Exklusivität) die kooperativen Songs von Self Love und Searching for a Pulse / The Worth of the World zu performen. Da werden Fanträume wahr.
Drumherum knallt das Quintett über 65 Minuten ein hungriges Brett nach dem anderen aus dem Ärmel, das bis auf einige wenige herausgeschnittene Ansagen (und damit leider auch sporadisch auftauchenden minimalen Fade-In/Outs) zwischen den Songs eine chronologisch durchwegs vollständige Aufzeichnung der atemlos antreibenden Darbietung voller Spielwitz und Enthusiasmus serviert. Im atemberaubend von Kurt Ballou bewerkstelligten Sound knallt deswegen eine Quasi-Greatest Hits-Staffette aus den Boxen, in der beispielsweise Just Exist wie selbstverständlich zu Pathfinder sprintet und danach in Flowers and You eskaliert, man gar nicht so schnell schauen kann, wie hier die Hochkaräter zünden; Bolm dabei immer wieder das Publikum und das agressive Gebrüll von Tyler Kirby übernehmen lässt; die Gänsehaut nicht nur aufsteigt, wenn Cadence so im puren Gemeinschaftsgefühl durch den Saal gereicht wird oder Condolences von der Masse getragen wird.
Nocheinmal: 10 Years / 1000 Shows – Live at the Regent Theater transportiert die intensive Stimmung des Abends dabei wohl beinahe so ansatzlos wie irgendwie möglich, macht unheimlich Spaß und verpasst der Leidenschaft für Touché Amoré einen erfrischenden Schub, wie das Livealben eben nur in den besten Fällen können. Fans rotieren dazu in den eigenen vier Wänden – alle anderen sind hiernach von Touché Amoré  angefixt. Studioalbum Nummer 5 und mehr noch die nächste Europa-Tour der Band können nach diesem immer wieder miterlebt wollen werdenden, auch historischen Feuerwerk praktisch kaum schnell genug kommen.

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