Randall Dunn – Beloved

von am 9. November 2018 in Album

Randall Dunn – Beloved

So unübersichtlich ausführlich die Diskografie von Randall Dunn in seiner Tätigkeit als Szene-Allstar-Produzent, Audiotechniker, kreativer Kollaborateur, allgemeiner Musiker und experimentell veranlagtes Kollektivmitglied auch längt geworden sein mag, stellt Unloved tatsächlich das Solodebüt des niemals ruhenden Amerikaners dar.

Ein Schritt, der nun spätestens nach einer „turbulent period of change and loss“ überfällig gewesen sei, wie Dunn nun ausführlich reflektiert: „I wanted to make something more like prose or a Gerhard Richter painting with sound. Being someone that composes with sound, I wanted to find a voice in it that felt personal, that felt human, especially with electronics, something that didn’t feel too mechanical„.
Auf einer – angesichts des generellen Hangs zur Dunkelheit neigenden Ausrichtung zwischen den Zeilen nichtsdestotrotz durchaus adäquat in vergilbt-buntes Artworkt getauchten  – tatsächlich erstaunlich warm und organisch klingenden Platte taucht Dunn so tief in eine Meditation über „anxiety, paranoia, different shades of love, different realizations of mortality“ ein und sinniert über analogen (und alten digitalen) Synthesizern brütend weitestgehend instrumental darüber, „how it can make you feel the stages of your life more deeply„.

Beloved geistert dafür durch sphärische Ambientwelten und verfremdete Schichten aus entrückten Klangtexturen, die selten bis nie perkussive Elemente benötigen, sondern Spannungen eher intrinsisch forcieren und wie in ungemütlicher Trance formwandeln. Kein Climax bricht dezidiert auf, alles fließt subtil, unaufdringlich, abstrakt. Jeder der sieben mosaikförmig ineinander greifenden Songs atmet im Detail differenziert, erforscht andere Teilbereiche einer in sich geschlossen arrangierten, offenen Welt, obwohl die sedativen Kompositionen generell eine relativ überschaubare Dynamik beherbergen, die Kontraste lose sind, keine aggressiven oder harten Zwänge über dem stets fühlbaren Abgrund kreisen.
So entwickelt sich eine schwer definierbare Form einer assoziative Finsternis, die dennoch eine verhalten optimistische, leicht hoffnungsvolle Wärme zulässt. Amphidromic Point steigt über psychedelische Dämpfe aus dem Keyboard mit einem antiquierten Horror-Suspence-Feeling ein, als düsterer Score mit unbehaglicher Melodie, die sich launig beherrscht ausbreitet. Vangelis und Blade Runner sind das Synonym für derartige Dystopien, und auch das majestätische Mexico City ist eine in den 80ern bei Carpenter und Co. verankerte retrofuturistische Erinnerung, zu der Replikanten in einen ungläubigen Sonnenaufgang über einem klaren Horizont blicken.

Darüber hinaus klingt Beloved aber vor allem immer wieder, als würde Dunn einen Gutteil der Projekte, an denen er die vergangenen Jahre über beteiligthat, in einem inkonkreten Traum-Kaleidoskop Revue passieren lassen und unterbewusst noch einmal über externe Einflüsse verarbeiten.
Gerade Theoriah : Aleph dräut so als beklemmende Melange aus potentiellen [amazon_link id=“B01M68QI87″ target=“_blank“ ]Black Earth[/amazon_link]-Bohren & der Club of Gore-Choralgesängen und der beschwörenden Okkult-Bedrohung aus Jóhann Jóhannssons Mandy, addiert dazu aber auch vage die gespenstische Ästhetik von von Marissa Nadler sowie die Aura von Sunn O)))s Stephen O’Malley: Ein wogendes Meer, das keinen Blick auf den Grund zulässt, allerdings etwas verhalten gleißendes in sich trägt, hinter viel Schwermut Katharsis und Heilungsprozess andeutet, ohne seine streichenden Strukturen in  konkrete Konturen zu zwängen. Der hinter seinen Möglichkeiten bleibende Füller Virgo beginnt dafür mit einem lynchesk-kristalliner Radiatorensound, wie er Liturgy als elektronischer Schellentanz gefallen dürfte, entwickelt sich jedoch schnell zum elektronisch fiependen und knisternden Drone, befreit sich aus jedem Distanzgefühl und bekommt beinahe einen insterstellaren Brennwinkel wie Anna von Hausswolffs finales Space-Orgelmeer auf Dead Magic.
Das surreale Lava Rock and Amber kommt zuvor bereits in bis zur Zeitlupe entschleunigten Wellen, ist ein Auf- und Abblenden von cineastischen Szenen. Wenn Klavier und Bass, die atonal und disharmonisch fiependen Streicher oder psychotischen Bläser jazzig wärmend unter die verloren wehenden Streicher tröpfeln, hat das was von späten Talk Talk, ohne tatsächlich zitierbar zu werden – also eher Twin Peaks aus der Perspektive von Wolves in the Throne Rooms Celestite (2014).

Nur zweimal greift Dunn jedoch handfest auf seine Connections im Musikbusiness zurück: Für die gespenstische, grandiose Beinahe-Ballade Something About that Night lässt er angedeutete Beats torkeln, erinnert an Ulver und eine soulig croonend vom Physis-zerfressenden Virus infizierte Aufnahme einer gemeinsamen Session von Kayo Dot und Daughn Gibson, lässt die erhebende Verstörung aber von Algiers-Zauberstimme Frank Fisher intonieren, um den herum sich das Unglück von Hereditary ala Aley Zhang Hungtai auszubreiten scheint. „I had one idea that sounded like a Coil track with Sam Cooke singing over itbringt Dunn die betörenden Dinge auf den Punkt.
Der Abschluss True Home spannt diesen Bogen weiter, als esoterische Spiritualität aus der Steckdose mit Zola Jesus, die dann leise pulsierend eher bei Jon Hopkins ist. Das schließt den fragmentarisch ausgebreiteten Kreis nach unwirklich schönen 39 Minuten zutiefst versöhnlich – entlässt aber auch mit dem schwerelosen Gefühl aus einer homogen wandelnden Platte, eine Spur zu bedingungslos mit Samthandschuhen durch nicht immer am Limit erdrückend-erschöpfende Szenarien gegleitet zu sein. Dunn skizziert eher eine unheimliche Größe, als sie tatsächlich zu erreichen, da er den Fokus in einer meisterhaft-rastlosen Vielseitigkeit lieber immer wieder verschiebt, anstatt zu lange zu verharren. Ein paar konzentrierende Kanten und Komplikationen wären eventuell dennoch förderlich gewesen. Wo Beloved deswegen in wenigen Augenblicken ziellos oder  eklektisch-beliebig scheinen kann, macht jedoch gerade diese barrierefreie Verdaulichkeit auch den immer wieder anziehenden Reiz dieses Debütalbums aus, vermisst tatsächlich voluminöse Distanz ohne unnötigen Leerlauf. Die imaginativ fesselnde Talentprobe eines Veteranen also.

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